Landgericht Schweinfurt, Urteil vom 10.08.2022, Az.- 11 O 467/22 eV - Diese Frist ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Von Gericht zu Gericht herrschen unterschiedliche Übungen. Deshalb interessiert nahezu jedes Urteil.

Die Umstände des Einzelfalles werden berücksichtigt. Eine Zurückweisung bei „mehr als einem Monat", wie im entschiedenen Fall, ist zwar eher die Regel. Allerdings liegen möglicherweise im entschiedenen Fall doch außergewöhnliche Umstände vor. So: „vor der Veröffentlichung nicht angehört worden" und vermeintliche Unwahrheiten veranlasst Gerichte bei Sachverhalten des investigativen Journalismus - wie hier zu einer Wahl [des Stadtrats] - oft dazu, eine längere Frist zuzugestehen. 

Das Gericht zum Sachverhalt:
Am 9. Juni 2022 wurde auf einer Internetseite ein Presseartikel veröffentlicht, in dem es um eine Kandidatin des Schweinfurter Stadtrates ging. Die Kandidatin war mit dem Artikel nicht einverstanden. Ihrer Ansicht nach enthalte der Artikel Unwahrheiten. Zudem sei sie vor der Veröffentlichung nicht angehört worden. Sie richtete daher am 13. Juni 2022 eine E-Mail an den Journalisten, in dem sie ihre Sicht der Dinge mitteilte. Am 20. Juli 2022 beantragte sie schließlich den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtet auf Unterlassung der identifizierenden Berichterstattung ohne vorherige Einholung einer Stellungnahme.

Rechtliche Beurteilung durch das Gericht:

Es fehlt der Verfügungsgrund. Die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit gebietet es, dass der Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen einer Presseberichterstattung mit der faktischen Einschränkung der Rechtschutzmöglichkeiten bzw. des Grundsatzes auf rechtliches Gehör auf die Fälle beschränkt bleibt, bei denen wegen der Dringlichkeit des Sachverhalts die Annahme eines Verfügungsgrundes unumgänglich sei. Dies sei jedenfalls für Fälle der Presseberichtserstattung bei einem Zuwarten von mehr als einem Monat regelmäßig nicht mehr der Fall.

Soweit die Klägerin angab, ihr sei erst durch Rückmeldungen anderer Personen die Tragweite der angegriffenen Berichterstattung bewusst geworden, ist dies nicht nachvollziehbar. Denn in erster Linie obliegt es der eigenen Einschätzung des Betroffenen, wie schwer er den Eingriff in seine Rechtspositionen empfindet.

Auch der Vortrag der Klägerin, sie habe zunächst aus finanziellen Gründen von einer gerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche abgesehen, ist unbeachtlich. Es ist Sache der Klägerin gewesen, sich darüber beraten zu lassen, welche Möglichkeiten für eine Partei mit eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten bestehen, gerichtlich ihre Rechte durchzusetzen.

Anmerkung

Die oben fett hervorgehobene Begründung ist nicht so oft zu lesen. Gemeint ist, dass die Pessefreiheit leidet, wenn - abwägend - Betroffene einstweilige Verfügungen selbst bei längerem Zuwarten noch durchsetzen könnten.

 

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
zertifizierte Datenschutzbeauftragte (DSB-TÜV)
Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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