Verwaltungsgericht Gießen, Beschluss vom 25.01.2023, Az. - 4 L 2623/22.GI -. Anm. Das Problem: Können für von der Gemeinde bereits durchgeführte und für künftige  Heckenschnitte im Vorhinein „auf Vorrat" Zwangsmittel festgelegt werden? Antwort: grundsätzlich nicht.

Der Fall, wie er berichtet wird
Nach einer gemeindlichen Satzung über die Straßenreinigung sind im Gebiet der antragstellenden Gemeine überhängende Äste und Zweige von Bäumen und Sträuchern (Überhang) über Gehwegen bis zur Höhe von 2,40 Metern und über der Fahrbahn bis zur Höhe von 4,50 Metern zu entfernen. Die beantragende Gemeinde stellte im Sommer 2021 fest, dass der Antragsgegner diesen Verpflichtungen nicht nachkam und setzte zunächst mehrfach Zwangsgelder fest.

Nachdem der Antragsgegner hierdurch nicht zur Durchführung der von ihm geforderten Maßnahmen bewegt werden konnte, wurden diese im Januar 2022 von der Gemeinde selbst auf Kosten des Antragsgegners ausgeführt. Die Beitreibung dieser Kosten und der festgesetzten Zwangsgelder, insgesamt über 2.000 Euro, blieb auch nach mehreren Versuchen erfolglos, da der betroffene Einwohner vermögenslos war. Daher beantragte die Gemeinde beim Verwaltungsgericht Gießen die Anordnung von Ersatzzwangshaft, auch um den Antragsgegner zukünftig zur Erfüllung seiner Verpflichtungen zu bewegen.
Das VG Gießen lehnte diesen Antrag der Gemeinde in der vergangenen Woche ab.

Rechtlich, so das VG

Der mit einer Ersatzzwangshaft verbundene Eingriff in die Freiheit der Person zur Durchsetzung einer Verpflichtung, die bereits durch die Gemeinde selbst vorgenommen wurde, ist nicht verhältnismäßig. [Aus dem gleichen Grunde ist] auch eine Anordnung von Ersatzzwangshaft „auf Vorrat“, also für die Durchsetzung zukünftiger Verpflichtungen, rechtlich nicht zulässig.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen binnen zwei Wochen Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel einlegen.

Anmerkung

Ein Absatz der Pressemitteilung schafft Klarheit, was genau gemeint ist, nämlich:

„Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen lehnte diesen Antrag der Gemeinde in der vergangenen Woche ab. Nach Einschätzung des Gerichts ist der mit einer Ersatzzwangshaft verbundene Eingriff in die Freiheit der Person zur Durchsetzung einer Verpflichtung, die bereits durch die Gemeinde selbst vorgenommen wurde, nicht verhältnismäßig. Auch eine Anordnung von Ersatzzwangshaft „auf Vorrat“, also für die Durchsetzung zukünftiger Verpflichtungen, war aus Sicht der Kammer rechtlich nicht zulässig.”

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
zertifizierte Datenschutzbeauftragte (DSB-TÜV)
Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

TELEFON:

+49.89.9280850

E-MAIL:

as@schweizer.eu

Zum Profil