Landgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 30.08.2022, Az. - 2-13 S 4/22: Kleiner Versammlungsraum, alle Plätze zuerst besetzen, unwillkommener Eigentümerin wird mangels Raum Zutritt verweigert. Aber: sämtliche Beschlüsse unwirksam.

Leitsatz
Den Wohnungseigentümern darf nicht wegen der begrenzten Raumgröße die Teilnahme an der Eigen­tümer­versammlung verweigert werden. Dies stellt einen schwerwiegenden Eingriff in den Kernbereich der Mitglied­schafts­rechte dar. Schon allein deswegen können sämtliche Beschlüsse für unwirksam erklärt werden.

Sachverhalt, wie er geschildert wird. 

Im Juli 2021 sollte in einer aus vier Parteien bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft in Hessen eine Eigentümerversammlung stattfinden. Zu der Versammlung sollten noch der Verwalter und eine Mitarbeiterin vor Ort anwesend sein. Da der Raum nur für fünf Personen ausgelegt war, wurde einer Wohnungseigentümerin der Zutritt verweigert. Nach Protest erteilte diese letztlich einem anderen Wohnungseigentümer Vollmacht und verließ den Ort. Nachdem auf der Versammlung einige Beschlüsse getroffen wurden, erhob die ausgeschlossene Wohnungseigentümerin Anfechtungsklage.

Rechtlich

Der Ausschluss von einer Versammlung stellt einen schwerwiegenden Eingriff in den Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte dar, bei dem es nicht darauf ankommt, ob die gefassten Beschlüsse auch bei einer Mitwirkung des ausgeschlossenen Mitglieds die erforderliche Mehrheit gefunden hätte.

Es ist unzulässig, Versammlungen dahingehend zu beschränken, dass lediglich eine Teilnahme einzelner Personen gewährleistet wird und die übrigen Eigentümer Vollmachten zu erteilen haben oder gar von vornherein zu sog. Vertreterversammlungen geladen wird. Dies gilt auch in Zeiten der Corona-Pandemie. Die Eigentümer haben nicht nur das Recht, ihren Willen durch Abstimmungsverhalten zum Ausdruck zu bringen, sondern auch durch Wortmeldungen auf der Versammlung die Mehrheit in Richtung der von ihnen gewünschten Willensbildung zu beeinflussen.

Der Versammlungsort muss so beschaffen sein, dass eine ordnungsgemäße Durchführung gewährleistet und allen Wohnungseigentümern die Teilnahme möglich ist. Bei der begrenzten Größe der Wohnungseigentümergemeinschaft ist dies hier zumutbar gewesen.

Anmerkung

Interessant ist unter anderem auch die rechtliche Meinung des Gerichts, dass „durch Wortmeldungen auf der Versammlung die Mehrheit in Richtung der von ihnen gewünschten Willensbildung″ beeinflusst werden können. Diese Problematik stellt sich oft im gesamten Abstimmungsrecht, nicht nur für Abstimmungen im WEG-Recht. Zwingend klar ist die Problematik, soweit uns bekannt, noch nicht abgehandelt worden. 

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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