(Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 07.12.2021, Az. 1 U 216/20)
Fahrrad­fahrer dürfen sich beim Abbiegen nicht darauf verlassen, dass ein Auto anhält. Im Gegenteil: Sie sind selbst verpflichtet, sich doppelt umzuschauen. Sonst bleiben sie auf dem Schaden sitzen.

Sachverhalt, für den sich vermutlich viele interessieren, deshalb ausführlich wörtlich aus dem Urteil

Am Unfalltag befuhren der Kläger mit seinem Fahrrad und hinter ihm der Beklagte zu 1. mit seinem bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten Pkw Seat Leon die A.-Straße. Als der Kläger nach links abbiegen wollte, um den Baumarkt X. aufzusuchen, kam es in Höhe Nr. ... auf der Gegenspur zur Kollision mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1., der den Kläger überholen wollte. Dabei stieß die rechte vordere Ecke des Pkw gegen den Rahmen des Fahrrades.

Der Kläger hat in der Klageschrift behauptet, er habe sich vor dem Abbiegen erstmals umgeschaut, als der Beklagte zu 1. noch etwa 150 m entfernt gewesen sei. Sodann habe er mit dem linken Arm ein Handzeichen gegeben und den Abbiegevorgang eingeleitet. Als er bereits die Gegenfahrbahn erreicht habe, sei es zu der Kollision gekommen. Mit Schriftsatz vom 17.09.2019 hat der Kläger seinen Vortrag zum Unfallgeschehen "präzisiert" und behauptet, er sei nach dem Handzeichen zunächst langsam zur Fahrbahnmitte gefahren, habe sich dann erneut nach hinten umgeschaut und den Beklagten zu 1. in einer Entfernung von etwa 50 m gesehen. Er sei nicht davon ausgegangen, dass der Beklagte zu 1. in dieser Situation beschleunigen und ihn links überholen werde.

Die Beklagten haben demgegenüber geltend gemacht, der Kläger habe den Unfall alleine zu vertreten. Hierzu haben sie - unter Bezugnahme auf die Unfallschilderung des Beklagten zu 1. (B1) - behauptet, der Beklagte zu 1. habe auf Höhe der B. angehalten, weil vor ihm ein Fahrzeug abgebogen sei. Als er beim Anfahren den vor ihm am rechten Fahrbahnrand fahrenden Kläger wahrgenommen habe, habe er den Entschluss gefasst, diesen zu überholen. Hierzu habe sich der Beklagte zu 1. zur Fahrbahnmitte hin orientiert, um unter Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn einen ausreichenden Seitenabstand einzuhalten. Als er mit der Front seines Fahrzeugs schon fast auf der Höhe des Fahrrades befunden habe, sei der Kläger plötzlich - ohne Vorankündigung durch Handzeichen und ohne vorherige Orientierung zur Fahrbahnmitte und ohne jede Rückschau - nach links abgebogen und in seine Fahrlinie geraten. Trotz einer eingeleiteten Vollbremsung und eines gleichzeitig durchgeführten Ausweichmanövers habe der Beklagte zu 1. den Unfall nicht vermeiden können.

Rechtlich

Im entschiedenen Fall musste der Radfahrer seinen Schaden allein tragen, das Gericht konnte keine Mitschuld des Autofahrers feststellen. Der Links­abbieger hat die doppelte Rückschau verletzt und sich zuvor auch nicht bis zur Mitte der Straße eingeordnet. Der Autofahrer bestritt, dass der Radfahrer seinen Richtungs­wechsel angezeigt hatte.

Die in der Straßen­verkehrs­ordnung verankerte doppelte Rückschau­pflicht gilt auch für Radfahrer. Jeder muss sich rechtzeitig vor dem Einordnen und dann nochmals unmittelbar vor dem Abbiegen darüber vergewissern, dass der Weg frei ist.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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