Oberlandesgericht Dresden Urteil vom 18.10.2022 Az. 6 U 580/22. Warum der Nachbar trotz guten Zuredens des Gerichts sich so verhält, weiß niemand.

Die ausführlichste Schilderung des Sachverhalts findet sich wohl bei www.medienservice.sachsen.de. Hervorhebungen von uns. 

Die Parteien wohnen einander direkt gegenüber in einer engen Wohnstraße in Leipzig. Seit einigen Jahren stellt sich der Beklagte mit seinem Pkw regelmäßig direkt auf die Straße vor seiner eigentlichen Grundstückseinfahrt - und damit genau gegenüber der Einfahrt der Klägerin -, obwohl er auch etwas versetzt oder in seiner eigenen Einfahrt parken könnte. Das führt dazu, dass die Klägerin aus ihrer Einfahrt nur sehr schwer hinein- und herausfahren kann.
Schon 2019 war der inzwischen verstorbene Ehemann der Klägerin gerichtlich gegen die Parkgewohnheiten des Nachbarn vorgegangen. Damals hatten die Parteien einen Vergleich geschlossen, wonach der Beklagte sein Auto täglich bis zu fünfmal für maximal 10 Minuten auf der Straße vor seiner Grundstückseinfahrt abstellen darf. Für jeden Verstoß wurde eine Vertragsstrafe von 150,00 € vereinbart.
Der Beklagte stellte in der Folge sein Fahrzeug weiter an gewohnter Stelle ab. Die Klägerin, die nach dem Tod ihres Ehemannes in den Prozess eingetreten ist, und ihr Ehemann protokollierten die zahlreichen Parkverstöße des Nachbarn und machten die Vertragsstrafen gerichtlich geltend. 2020 verurteilte das Landgericht Leipzig den Beklagten wegen 44 Verstößen zur Zahlung von 3.300,00 € an die Kläger und 2021 wegen 83 weiteren Verstößen zu 11.850,00 €.
Am 1. März 2022 hat das Landgericht den Beklagten wiederum zur Zahlung einer Vertragsstrafe verurteilt, diesmal wegen 67 Verstößen zu 10.500,00 €. Seine dagegen eingelegte Berufung blieb im Wesentlichen erfolglos. Lediglich acht Verstöße hat der Senat nicht als erwiesen angesehen und die Vertragsstrafe deshalb um 1.200,00 € reduziert.
Weshalb der betagte Beklagte sein Parkverhalten trotz guten Zuredens durch das Gericht nicht ändert und es vorzieht, in regelmäßigen Abständen zu hohen Vertragsstrafen verurteilt zu werden, weiß niemand.

Anmerkung

Einem unbelehrbarem Kfz-Fahrer kann die Fahrerlaubnis entzogen werden; vgl. § 69 Strafgesetzbuch. Im entschiedenen Fall wird sogar angenommen werden müssen, dass der Nachbar im strafrechtlichen Sinne nötigt („aus ihrer Einfahrt nur sehr schwer hinein- und herausfahren kann”). Für einen krassen Fall, wie er hier anscheinend aus der Welt geschaffen werden muss, gibt es auch dann einen Weg, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen in Frage stehen. Entschieden wurde beispielsweise bereits: „Auch wenn diese [gesetzlichen] Kriterien alle nicht zutreffend sind, die betreffende Person im Straßenverkehr noch nicht auffällig geworden ist, aber ein allgemeines hohes Aggressionspotential aufweist, kann ihr die Fahrerlaubnis entzogen werden", hat das VerwG Gelsenkirchen, 12.09.2012, 7 L 896/12] entschieden. Wir wollen uns ganz bestimmt nicht für den Entzug einer Fahrerlaubnis einsetzen; aber den Nachbar jahrelang quälen „trotz guten Zureden des Gerichts”, das geht nun wirklich nicht.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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