Bundesgerichtshof Urteil vom 10. Mai 2022, herausgegeben heute 28.6.2022, Az. VI ZR 838/20.

Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt voraus, dass einer ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat.

Der Fall in Kürze

Der Kläger erwarb im August 2015 von einem Dritten einen von der Beklagten hergestellten Pkw Audi A4 Avant 2,0 TDI zu einem Kaufpreis von 18.500 €. Der Kläger finanzierte den Kauf. Die Kosten .... Das Fahrzeug ist mit einem von der Volkswagen AG  entwickelten und hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA189 ausgestattet, der von Mitarbeitern der Beklagten in das streitgegenständliche Fahrzeug eingebaut wurde. Die die Abgasrückführung steuernde Software erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus gestattet, der von Mitarbeitern der Beklagten in das streitgegenständliche Fahrzeug eingebaut wurde. Die die Abgasrückführung steuernde Software erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchläuft, und erhöhte ausschließlich in diesem Fall die Abgasrückführungsrate, um den Stickoxidausstoß zu optimieren und die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten. Unter den Bedingungen des normalen Straßenbetriebs wurde die Stickoxidoptimierung ausgeschaltet. .... .... ....

Rechtlich in Kürze

Ein nach §§ 826, 31 BGB haftungsbegründendes sittenwidriges Vorgehen des betreffenden Automobilherstellers kommt allerdings nicht nur dann in Betracht, wenn dieser den Motor samt "Täuschungssoftware" selbst entwickelt und hergestellt hat, sondern bereits dann, wenn seine verfassungsmäßig berufenen Vertreter zumindest wissen, dass die von einem anderen hergestellten Motoren mit einer auf arglistige Täuschung abzielenden Prüfstanderkennungssoftware ausgestattet sind, und sie Fahrzeuge in Kenntnis dieses Umstandes mit einem solchen Motor versehen und in den Verkehr bringen (Senatsurteile vom 21. Dezember 2021 ...)

Das Berufungsgericht hat nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten im Sinne von § 31 BGB die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat. Die bisher getroffenen Feststellungen tragen bereits nicht die Annahme des Berufungsgerichts, ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten habe durch das Inverkehrbringen des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs mit dem Dieselmotor der Baureihe EA189 sittenwidrig gehandelt.....

Ausgehend von seiner Annahme, Mitarbeiter der Beklagten hätten den Motor mit der Manipulationssoftware versehen, hat das Berufungsgericht zu einem derartigen Vorstellungsbild im Hinblick auf Personen, für die die Beklagte emäß § 31 BGB einzustehen hat, jedoch keine hinreichenden Feststellungen getroffen.

Anmerkung

Ein guter Whistleblower: und die Welt sieht anders aus. ---- Verhält es sich nicht so? Ist nicht einerseits bekannt, dass Branchen in einem weiten Sinne heftig manipuliert haben. Und anderseits will ein Großteil von Nutzern, die gar nicht so geschädigt sind, Profit herausschlagen -  meist angetrieben von wem auch immer. Warum wird nicht stärker hinterfragt, dass Sorgfaltspflichten verletzt wurden? Zum Beispiel von Führungskräften, auch von den Gewerkschaften. Dass es nicht nur Null-Ergebnisse nach vielen Instanzen geben sollte, werden viele nicht bezweifeln. Eine Lösung kann die von uns vertretene Grundnorm bieten. Siehe bitte Schweizer, „Die Entdeckung der pluralistischen Wirklichkeit” ab Seite XXXIII. 

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
zertifizierte Datenschutzbeauftragte (DSB-TÜV)
Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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