Der Deutsche Presserat rügte in seiner letzen Sitzung (vom 22.-24.3.2022) - Was rät der Rechtsanwalt bei diesem alltäglichen Problem?

Der Presserat zu Drosten ./. Cicero

„Die Zeitschrift CICERO.DE veröffentlichte unter der Überschrift ‚Herr Drosten hat Politik und Medien in die Irre geführt’ ein Interview mit einem Nanowissenschaftler, in dem dieser dem Virologen vorwirft, die Öffentlichkeit über einen nicht-natürlichen Ursprung des Corona-Virus gezielt getäuscht zu haben, um eine Labor-Herkunft zu vertuschen. Diese Vorwürfe veröffentlichte die Redaktion ohne jede journalistische Einordnung. Der Beschwerdeausschuss sah darin einen schweren Verstoß gegen die in Ziffer 2 des Pressekodex festgehaltene journalistische Sorgfaltspflicht.

Anmerkungen

Es muss sich nicht nur um angeblich schwere Vorwürfe handeln. Sowohl das geschriebene Recht als auch die ethischen Grundsätze verlangen von den Medien, dass Betroffene vor einer Publikation angehört werden müssen. Der rechtsberatende Anwalt muss so frühzeitig wie möglich von den Medien verlangen, dass sein Mandant angehört wird. - Ist nicht genau klar, was dem Mandanten vorgeworfen wird, sollte der beratende Anwalt in der Regel sofort verlangen, dass schriftlich angefragt wird und der Betroffene Stellung nehmen kann. So erreicht der Anwalt zumindest schon einmal, dass die Medien sorgfältig und gleichwertig berichten müssen, was der Betrffene einwendet („Waffengleichheit”).

Presse-ethisch verlangt Ziff. 2 des vom Presserat aufgeführten (ethischen) Pressekodex 

„Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.

Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden.”

Ziff. 1 betont vorab grundsätzlich

„Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.

Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.”

Die Standesregeln (meist „Richtlinien") gewinnen dadurch zuätzlich an Bedeutung, dass sie ausdrücklich in die Anwendung der zivilrechtlichen Normen einbezogen werden; so zuletzt EuGH 

Zivil- und strafrechtlich 

gewinnen meist Bedeutung: die persönlichkeitschützenden Normen §§ 823 Abs. 1 und 2 BGB sowie 185 ff. StGB. Diese Normen stellen wiederum schwergewichtig auf die Wahrung der Sorgfalt ab. 

Gemeinschaftsrechtlich ist besonders bemerkenswert, dass der EuGH die (ethischen) Standesrichtlinien expressis verbis im Rahmen der rechtlichen Sorgfaltsbestimmungen in die Anwendung der Rechtsnormen einbezogen hat; siehe zuletzt an dieser Stelle den Eintrag vom 15.3.2022 mit dem Urteil vom 14.3.2022 in der Rechtssache C-302/20.  

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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