Aktuell Bndesgerichtshof Beschluss vom 30. März 2022, bekannt gegeben heute 16.5.2022; Az. XII ZB 311/21.

Leitsatz

Die Einreichung eines elektronischen Dokuments bei Gericht ist nur dann formgerecht, wenn es entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist oder von der verantwortenden Person selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht wird. Nicht ausreichend ist die Verwendung einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur im Zusammenhang mit einer nicht persönlich vorgenommenen Übermittlung (im Anschluss an BAGE 171, 28 = FamRZ 2020, 1850).

Sinn und Zweck (Hervorhebungen zur schnellen Übersicht durch uns)

Durch die vorstehenden Regelungen soll gewährleistet werden, dass Dokumente in einer Weise an das Gericht gesandt werden, die sicherstellt, dass die Identität des Signierenden von einem Dritten geprüft und bestätigt wurde. Bei der
qualifizierten elektronischen Signatur (Art. 3 Nr. 12 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG, ABl. L 257 S. 73; im Folgenden: eIDAS-VO) geschieht dies im Vorfeld durch die sichere Identifizierung der Person bei einem qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter. Die qualifizierte elektronische Signatur hat die gleiche Rechtswirkung wie eine handschriftliche Unterschrift (Art. 25 Abs. 2 eIDAS-VO). Sie muss jedoch, um diese Gleichwertigkeit zu erreichen, von demjenigen vorgenommen werden, dessen Unterschrift dem Formerfordernis genügen würde, mithin von dem
Rechtsanwalt persönlich
(vgl. BGHZ 188, 38 = FamRZ 2011, 558 Rn. 8 mwN).
Bei den sicheren Übermittlungswegen, etwa über das beA (vgl. § 130 a Abs. 4 Nr. 2 ZPO), geschieht die Überprüfung der Identität des Absenders bei der Prüfung des Zulassungsantrags durch die Rechtsanwaltskammer. Nach § 31 a Abs. 1 BRAO erhalten nur Mitglieder von Rechtsanwaltskammern - also Personen, die zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sind - ein beA. Der sichere Übermittlungsweg gewährleistet die Identität des Absenders aber nur dann, wenn die verantwortende Person, also der Rechtsanwalt als Inhaber des beA, den Versand selbst vornimmt. Hiermit korrespondiert, dass der Inhaber des beA das Recht, nicht-qualifiziert elektronisch signierte Dokumente auf einem sicheren Übermittlungsweg zu versenden, gemäß § 23 Abs. 3 Satz 5 der Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeichnisse und die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer (Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung - RAVPV) vom 23. September 2016 (BGBl. I S. 2167) nicht auf andere Personen übertragen kann. Denn bei einer solchen Versendung wäre nicht sichergestellt, dass es sich bei dem übermittelten Dokument nicht nur um einen unautorisierten Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Wollen des Verantwortenden dem Gericht zugeleitet worden ist. Das Erfordernis der persönlichen Übermittlung durch die verantwortende Person ist somit kein Selbstzweck, sondern soll wie bei der handschriftlichen Unterzeichnung die Identifizierung des Urhebers einer Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (vgl. Senatsbeschluss vom 18. März 2015 - XII ZB 424/14 - FamRZ 2015, 919 Rn. 7 mwN zum Unterschriftserfordernis).

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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