Amtsgericht Bad Iburg, Urteil vom 12.11.2021 Az. - 4 C 366/21 - Schlagwort: Überwachungsdruck. Einer der Fälle, bei denen der Mandant Recht sucht, „koste es, was es wolle”. Wenn es dem Gegenanwalt genauso ergeht, laufen auch die Anwälte Gefahr, „noch eins drauf zu setzen”.

Diese Geschichte verleitet, sie schön fortzsetzen. Am besten, alles in einem Ort mit Vereinen, einem Wirtshaus und örtlichen Festchen! Don Camillo und Peppone ohne Versöhnung. Wahlweise: mit und ohne ortsansässigen Richtern, mit und ohne Familien. Wer in einem kleinen Ort wohnt, für den ist diese fiktive Geschichte so weit hergeholt nicht.

Leitsatz mit den Worten des Gerichts

Nachbarn können auch dann schon einen Anspruch auf Entfernung von Überwachungskameras haben, wenn sie eine Überwachung objektiv ernsthaft befürchten müssen

Der Fall

Die Parteien sind Nachbarn und bewohnen jeweils eine Hälfte eines ländlich gelegenen Doppelhauses. Sie sind seit mehreren Jahren total zerstritten. Auch das beiderseitige Verhalten vor Gericht hat gezeigt, dass das nachbarschaftliche Verhältnis der Parteien durchweg von Auseinandersetzungen und Misstrauen geprägt ist.

Im Sommer 2020 brachte der Beklagte auf seinem Grundstück zwei Überwachungskameras mit intelligenter Videotechnologie an. Die Kameras können Daten speichern und verarbeiten, Personenzählungen auch nach Alter und Geschlecht sowie Objekt- und Personenerkennung in Echtzeit durchführen.

Die vordere Kamera erfasst aus einer Höhe von ca. 4-5 m den gesamten Einfahrtsbereich sowie die Zufahrtsstraße nebst Wanderweg. Die in einer Höhe von 3-4 m angebrachte Kamera an der Rückseite des Hauses ist auf den hinter dem Doppelhaus befindlichen Garten und die dahinterliegenden Felder ausgerichtet.

Beide Kameras sind grundsätzlich in der Lage, das Grundstück der Klägerin zu erfassen. Allerdings, so behauptete der Beklagte, würden alle Bereiche, die nicht seinem Grundstück zuzuordnen seien, verpixelt.

Rechtlich

Rechtsgrundlage: Persönlichkeitsrechtsverletzung §§ 823, 1004 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz.

Der störende Nachbar muss die Kameras entfernen oder so ausrichten, dass die Linsenbereiche der Kameras vom Grundstück der Klägerin aus nicht mehr zu sehen sind.

Es kann offenbleiben, ob die Kameras tatsächlich Teile des klägerischen Grundstücks erfassen. Ein Unterlassungsanspruch besteht schon dann, wenn jemand eine Überwachung durch Überwachungskameras objektiv ernsthaft befürchten muss („Überwachungsdruck“).

Die Klägerin musste aufgrund der Umstände objektiv ernsthaft befürchten, in den Überwachungsbereich der Kameras einbezogen zu werden. Beide Kameras sind grundsätzlich von der Anbringung und vom Erfassungswinkel her in der Lage, das Grundstück der Klägerin (teilweise) zu erfassen. Darauf, ob Teile des Erfassungsbereichs verpixelt sins, kommt es nicht an, da die Verpixelung aufgehoben werden kann und dies für die Klägerin von außen nicht zu erkennen ist.

Darüber hinaus ist – wie auch das beiderseitige Verhalten vor Gericht gezeigt hat – das nachbarschaftliche Verhältnis der Parteien durchweg von Auseinandersetzungen und Misstrauen geprägt, so dass die Klägerin tatsächlich auch objektiv nachvollziehbar die konkrete Befürchtung haben kann, dass es zu einer Überwachung durch die streitgegenständlichen Kameras kommt.


Nutzung von Überwachungskameras bereits bei objektiv ernsthafter Befürchtung einer Überwachung seitens der Nachbarn unzulässig
Unterlassungs­anspruch bei Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeits­rechts
Anlässlich einer nachbarlichen Streitigkeit entschied das Amtsgericht Bad Iburg, dass ein Anspruch der Nachbarn auf Entfernung von Überwachungskameras bereits besteht, wenn diese eine Überwachung objektiv ernsthaft zu befürchten haben.

Die Parteien bewohnen je zur Hälfte ein Doppelhaus in ländlicher Umgebung. Der Beklagte brachte im Sommer 2020 zwei Videoüberwachungskameras auf seinem Grundstück an, welche neben Datenspeicherungs- und -verarbeitungsfunktion auch Objekte sowie Personen erkennen und Personenzählungen nach Geschlecht und Alter in Echtzeit vornehmen können.

Eine dieser Kameras erfasste den Einfahrtsbereich samt Zufahrt, während die andere auf hinter dem Haus

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
zertifizierte Datenschutzbeauftragte (DSB-TÜV)
Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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