Landgericht München I - Urteil vom 25.2.2022, Az. 33 0 8225/21. Ein Jammer um zwei Markenzeichen mit dem Ölbild Kaulbachs und der Erinnerung an die Polka für die Schützenliesl. Eine gute Gelegenheit, sich nebenbei ein - für Viele wohl überraschendes, instruktives - Bild von den gesellschftlichen Verhältnissen um das Jahr 1880 zu verschaffen. Vgl. dazu insbesondere auch als Beispiel den Link auf die SZ am Ende dieses Beitrags.

Zum besseren Verständnis des Markenrechts-Streits

Zumindest Kunstfreundinnen und -freunde sowie Münchnerinnen und Münchner wird zunächst die Entstehung des Bildes interessieren, und was es mit der Schützenliesl-Polka auf sich hat, die jeder ordentliche Oktoberfest-Besucher schon mitgesungen - oder ehrlich - mitgegröhlt hat. Das ist dort, wo noch intakte Menschen auf den Bänken stehen.   

So wird die Geschichte erzählt: Coletta Möritz hieß die Schützenliesl. Sie wurde 1860 bei Pöttmes nahe Augsburg geboren. Mit 16 wurde sie Biermadl, also Hilfs­kellnerin, im Münchner Stern­eckerbräu. Von Kaulbach muss die fröhliche Frau dort aufgefallen sein. Die Haupt­schützen­gesellschaft zitiert die Schützenliesl Coletta in einer Festschrift: „Krügel hab ich in der Hand tragen und den Fuß hab i heben müssen, als tät ich auf einem Faß tanzen, und der Kaulbach hat gezeichnet.“ Im Atelier habe er dann das Bild gemalt - für damalige Verhältnisse gewagt mit üppigem Dekolleté und knappem Rock. Das war etwa im Jahr 1880.

„Als sie vor unserer Wirtsbude aufg'hängt war, sind die Leut zusammeng'laufen: Der Kaulbach hat die Coletta gmalt!“, erzählt Coletta Möritz. Jeder habe einen Platz in der „Schützen­liesl“ ergattern und sich ein Bier von Coletta bringen lassen wollen. Ein Riesen­erfolg, von dem auch andere profitieren wollten. Schon damals seien überall nicht lizenzierte Nachdrucke, Kopien und Plagiate des Bildes aufgetaucht, wird erzählt. Von Kaulbach habe mehr Zeit vor Gericht bei Urheber­rechts­prozessen verbracht, als ihm lieb war.

Immer noch zum besseren Verständnis

Coletta Möritz hat 1882 einen Wirt geheiratet, zwölf Kinder bekommen und erfolgreich mehrere Gasthäuser geführt. Bevor sie im Dezember 1953 mit 93 Jahren starb, wurde die Schützen­liesl-Polka wurde zum Wiesn-Hit des Jahres und erinnert bis heute an das schöne Biermadl: „Schützen­liesl, drei Mal hats gekracht. Schützen­liesl, du hast mir das Glück gebracht“.

Und nun doch zum Markenrecht und zur Warnung- Wie ist es möglich, dass das LG München I zwei für den Betrieb eines Münchner Oktoberfestzelts angemeldete Marken "SCHÜTZENLISL" für verfallen erklärt hat.

Die Klägerin ist ein Brauereiunternehmen, das sich zum Ziel gesetzt hat, die ehemalige Münchener Traditionsbrauerei „Münchner Kindl“ wiederzubeleben. Diese Brauerei gehörte vor 100 Jahren zu den größten Münchner Brauereien. Ihr Markenzeichen war neben dem Stammzeichen „Münchner Kindl“ seinerzeit die sog. „Schützenliesl“, ein - wir haben es oben geschildert - Bildnis, das einem etwa um 1880 vom Maler Friedrich August von Kaulbach gefertigten großen Ölbild entsprach. Zum Schutz ihrer beabsichtigten geschäftlichen Aktivitäten meldete die Klägerin in den Jahren 2016 und 2017 zwei Unionsbildmarken an, die jeweils ein Bildnis der „Schützenliesl“ enthielten.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Gastronomie, das in der Münchener Innenstadt mehrere Gaststätten betreibt, u.a. das Alte Hackerhaus. Zudem betreibt die Beklagte ein kleines Festzelt auf dem Münchener Oktoberfest. Die Beklagte beabsichtigte in der Vergangenheit zudem, mit einem großen Festzelt auf der „Oiden Wiesn“ des Münchener Oktoberfests unter der Bezeichnung „SCHÜTZENLISL“-Festzelt aktiv zu sein. Zu diesem Zweck meldete sie Ende des Jahres 2015 eine deutsche Wortmarke „SCHÜTZENLISL“ sowie eine deutsche Bildmarke für gastronomische Dienstleistungen an. Beide Zeichen wurden noch im Jahr 2015 in das Register des DPMA eingetragen.

Die Beklagte bewarb sich ab dem Jahr 2016 wiederholt um die Zulassung des „SCHÜTZENLISL“-Festzeltes. Die Bewerbungen verliefen im Ergebnis allerdings ohne Erfolg. Anfang des Jahres 2021 beschloss die Beklagte ein alternatives Konzept hinsichtlich der Nutzung ihrer „SCHÜTZENLISL“-Marken und traf entsprechende Vorbereitungen. Nach ihrem Willen sollte der Biergarten des Hackerhauses als „SCHÜTZENLISL“-Biergarten unter Verwendung der streitgegenständlichen Marken gekennzeichnet werden. Eine solche Kennzeichnung erfolgte auch spätestens ab Juli 2021.

Die Beklagte ist der Auffassung, bereits die Bewerbungen für das Oktoberfest erfüllten den Tatbestand der rechtserhaltenden Benutzung. Spätestens aber mit der Kennzeichnung des Biergartens des Hackerhauses im Jahr 2021 sei die Marke in Benutzung genommen worden. Die Klägerin vertritt die Auffassung, beide Marken der Beklagten seien verfallen, weil diese es versäumt habe, die Zeichen innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren zu benutzen. Die von der Beklagten vorgetragenen Benutzungssachverhalte reichten für die Annahme einer rechtserhaltenden Benutzung nicht aus.

Das LG München I hat sich dieser Wertung im Wesentlichen angeschlossen und der Klage der Brauereigesellschaft gegen die beiden Marken stattgegeben.

Nach Auffassung des Landgerichts stellen die vorgetragenen Bewerbungen für den Betrieb eines Festzelts auf dem Münchener Oktoberfest keine nach außen erkennbaren Benutzungshandlungen am Markt, sondern interne Vorbereitungshandlungen dar. Die vorgetragenen Benutzungssachverhalte im Zusammenhang mit dem „SCHÜTZENLISL“-Biergarten bewertete das Landgericht als nicht ausreichend. Denn aus einer Abwägung sämtlicher relevanter Einzelfallumstände folge, dass diese Benutzungen nicht der Erschließung neuer oder zumindest dem Erhalt bestehender Marktanteile dienten, sondern einzig zu dem Zweck erfolgt seien, einen Verfall der beiden Marken zu verhindern.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Soziologische Anmerkung

Einen weiteren Einblick in die (auch weniger erfreulichen) Verhältnisse um das Jahr der Entstehung des Kaulbach-Bildes 1880 erhalten Sie mit diesem Link:

https://www.sueddeutsche.de/bayern/wirtshaus-beruehmter-als-das-muenchner-kindl-1.3126337-2

Anmerkung

Wir haben kein Bild veröffentlicht. Die Urheberrechte am Bild Kaulbach sind für uns nicht klar ersichtlicht.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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