Bundesgerichtshof Urteil vom 9. Dezember 2021, bekannt gegeben heute, 14.2.2022, Az. I ZR 146/20.

 Leitsätze

a) Der für die Zulässigkeit der Werbung für eine ärztliche Fernbehandlung maßgebliche Begriff der „allgemein anerkannten fachlichen Standards" im Sinne von § 9 Satz 2 HWG ist unter Rückgriff auf den entsprechenden Begriff in § 630a Abs. 2 BGB und die dazu mit Blick auf die vom Arzt zu erfüllenden Pflichten aus einem medizinischen Behandlungsvertrag entwickelten Grundsätze auszulegen.
b) Die für einen geltend gemachten Verletzungsunterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr erstreckt sich im Ausgangspunkt auf mit der konkreten Verletzungshandlung identische Verletzungshandlungen. Im Interesse eines wirksamen
Rechtsschutzes besteht eine Wiederholungsgefahr darüber hinausgehend für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. In dem Umfang, in dem der geltend gemachte Unterlassungsanspruch über eine zulässige Verallgemeinerung hinausgeht, fehlt es an der erforderlichen Wiederholungsgefahr. Der Unterlassungsanspruch ist in diesem Umfang unbegründet und der Klageantrag insoweit abzuweisen, sofern auch greifbare Anhaltspunkte für eine Erstbegehungsgefahr fehlen.

Anmerkungen

Die Pressemitteilung des BGH drückt das Entscheidende klar aus, Hervorhebung wie üblich von uns:

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die beanstandete Werbung gegen § 9 HWG in seiner alten und in seiner neuen Fassung verstößt. Da es sich bei dieser Vorschrift um eine - dem Gesundheitsschutz dienende - Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG handelt, ist die Beklagte nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG zur Unterlassung der Werbung verpflichtet.

Die Beklagte hat unter Verstoß gegen § 9 HWG in seiner alten Fassung für die Erkennung und Behandlung von Krankheiten geworben, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen beruht. Eine eigene Wahrnehmung im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Arzt den Patienten nicht nur sehen und hören, sondern auch - etwa durch Abtasten, Abklopfen oder Abhören oder mit medizinisch-technischen Hilfsmitteln wie beispielsweise Ultraschall - untersuchen kann. Das erfordert die gleichzeitige physische Präsenz von Arzt und Patient und ist im Rahmen einer Videosprechstunde nicht möglich.

Kurze ergänzende Anmerkung

Wenn das Gesetz nicht so formuliert wäre, müsste man es ändern und die Fälle absichern, bei denen ein Kontakt Arzt/Besteller benötigt wird.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
zertifizierte Datenschutzbeauftragte (DSB-TÜV)
Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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