Bundesgerichtshof Urteil vom 12. Januar 2022, Az. XII ZR 8/21. Die dringend erwartete Entscheidung hat gebracht, was stichwortartig zu erwarten war: Im Rahmen des Gesamtbildes ist abzuwägen.
Da eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage aber nicht zu einer Überkompensierung der entstandenen Verluste führen darf, sind bei der Prüfung der Unzumutbarkeit grundsätzlich auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat. Dabei können auch Leistungen einer ggf. einstandspflichtigen Betriebsversicherung des Mieters zu berücksichtigen sein. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen, die nur auf Basis eines Darlehens gewährt wurden, bleiben hingegen bei der gebotenen Abwägung außer Betracht, weil der Mieter durch sie keine endgültige Kompensation der erlittenen Umsatzeinbußen erreicht. Eine tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters ist nicht erforderlich. Schließlich sind bei der gebotenen Abwägung auch die Interessen des Vermieters in den Blick zu nehmen.
Das Oberlandesgericht hat nach der Zurückverweisung nunmehr zu prüfen, welche konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen die Geschäftsschließung in dem streitgegenständlichen Zeitraum für die Beklagte hatte und ob diese Nachteile ein Ausmaß erreicht haben, das eine Anpassung des Mietvertrags erforderlich macht.
Anmerkung
Ist noch zu ergänzen: „erforderlich macht und wie."?
Tausende Fälle sind zu beurteilen. Rechtsprechung und Schrifttum können es bis heute nicht ermöglichen, praxisnahe Lösungen zu finden. Es beginnt bei den "Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage". Diese Grundlage wird allgemein aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitet: Treu und Glauben wird wiederum abgeleitet „aus den Wertvorstellungen der Allgemeinheit und der beteiligten Verkehrskreise”. Diese Basis zwingt wiederum mit den gewonnenen abzuwägen. Und wie definiert die Rechtsprechung mit Unterstützung der Wissenschaft: "Abwägung"? Professor Rückert titelt in der hochqualifizierten „JuristenZeitung" von 2011 seine Abhadlung S. 912 bis 923: „Abwägung - die juristische Karriere eines unjuristischen Begriffs oder: Normenstrenge und Abwägung im Funktionswandel". -- Letztlich endet die Gerichtsentscheidung im „richterlichen Dezisionismus”. Siehe zu ihm die Beispiele in unserer Suchfunktion unter „Dezisionismus”. Das aber kann nicht das letzte Wort gewesen sein. Wir haben eine Antwort versucht zu bieten mit einer ”Grundnorm” in dem Buch: Schweizer „Die Entdeckung der pluralistischen Wirklichkeit”.
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen