Bundesgerichtshof Urteil vom 26. November 2021 Az. V ZR 273/20.

Zwei Leitsätze - wie beim BGH und vor allem auch beim V. Zivilsenat gut aufklärend

a) Zum öffentlichen Leitungsnetz gehörende Abwasserleitungen dienen der Fortleitung von Abwasser im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 GBBerG; das gilt unabhängig davon, ob die Leitungen Durchleitungsfunktion haben oder nur das Grundstück entsorgen, in dem sie liegen.
b) Die Nichtnutzung einer von § 9 Abs. 1 Satz 1 GBBerG erfassten Leitung am maßgeblichen Stichtag hindert das Entstehen einer Dienstbarkeit nicht, wenn das Versorgungsunternehmen zu diesem Zeitpunkt Betreiber der Anlage im Sinne der Vorschrift ist.

Der Fall
Die Klägerin ist eine Wohnungsbaugesellschaft und als solche Eigentümerin mehrerer Grundstücke in T. (Brandenburg), die zu DDR-Zeiten mit Wohnhäusern in Plattenbauweise bebaut worden sind. Auf den Grundstücken befinden sich - vor dem 3. Oktober 1990 errichtete - Anlagen und Leitungen der Abwasserbeseitigung. Diese dienen teilweise allein der Abwasserentsorgung des Grundstücks, auf dem sie sich befinden (im Folgenden: Hausanschlussleitungen); in anderen Fällen wird auch das Abwasser von benachbarten - ebenfalls im Eigentum der Klägerin stehenden - Grundstücken durchgeleitet (z.B. als Ringleitung; im Folgenden: Sammelleitung). Der im September 1992 gegründete beklagte Wasser- und Abwasserzweckverband betreibt seit 1994 die Abwasserentsorgung in T. . Er erhielt das Leitungsnetz übertragen, wie es in der DDR betrieben worden war.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten eine Entschädigung nach § 9 Abs. 3 GBBerG für die nach ihrer Auffassung auf ihren Grundstücken kraft Gesetzes begründeten Leitungsrechte. Das Landgericht hat der Klage unter Berücksichtigung von Teilzahlungen in Höhe von 442.955 € nebst Zinsen stattgegeben.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Verurteilung lediglich in Höhe von 150.207,33 € nebst Zinsen aufrechterhalten und die weitergehende Klage abgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, erstrebt die Klägerin die vollständige Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.