Merkur.de Update vom 26. Dezember, 16.54 Uhr: Scharfe Töne vom Weltärztepräsident:

Frank Ulrich Montgomery hat Richter wegen Urteilen zu Corona-Maßnahmen scharf kritisiert. „Ich stoße mich daran, dass kleine Richterlein sich hinstellen und wie gerade in Niedersachsen 2G im Einzelhandel kippen, weil sie es nicht für verhältnismäßig halten“, sagte Montgomery der Welt (Ausgabe vom 27. Dezember).

So maße sich ein Gericht an, etwas, das sich wissenschaftliche und politische Gremien mühsam abgerungen hätten, mit Verweis auf die Verhältnismäßigkeit zu verwerfen.

Anmerkungen

Wir sind schon oft an dieser Stelle auf die Probleme des Dezisionismus eingegangen. Siehe bitte Suchmaschine. Dieses nun bekannte Beispiel interessiert unter anderem deshalb zusätzlich, weil Rechtsmittel unter Umständen nicht ausreichen, um Todesfälle zu verhindern.

Allerdings: Bundesjustizminister Marco Buschmann hat lt. FOCUS ONLINE von heute, 27.12.2021, "Kritik an Richtern wegen Urteilen zu Corona-Regeln zurückgewiesen. Deutschland kann stolz sein auf seine hervorragend qualifizierte und unabhängige Richterschaft. Sie öffnet den Zugang zum Recht und erweckt die Idee des Rechtsstaats zum Leben. Daher verdient sie Respekt - und zwar unabhängig davon, ob dem Betrachter jede Entscheidung gefällt“, schrieb der FDP-Politiker am Sonntagabend auf Twitter.

Auf den richterlichen Dezisionismus geht der erst jüngst in sein Amt berufene Herr Bundesjustizminister in seinem Twitter-Beitrag nicht ein. Es geht nicht nur darum, anders als der Bundesjustizminister meint, „ob dem Betrachter jede Entscheidung gefällt". So einfach ist das nicht. Will der Herr Bundesjustizminister Urteilskritik verurteilen und ausschließen? Sicher nicht. Aber, wie er sich hier ausgedrückt hat, geht er - mit Verlaub - zu weit. Der Herr Bundesjustizminister zielt nicht bloß auf „kleine Richterlein”. Gut wäre, wenn er das Problem des richterlichen Dezisionismus beachtete. Wenn er den radikalen Rechtspositivismus und womöglich auch noch die Begriffsjurisprudenz vertreten will, dann muss er sich bekennen. Wir können gerne Beispiele zum richterlichen Dezisionismus zur Verfügung stellen. Auch aus der nicht veröffentlichten Praxis. Allein schon aufgrund dieser  Beispiele können wir uns den von Mintgomery kritisierten Richter lebhaft vorstellen. 

Es gibt selbstverständlich viele Richter, auf die man ungeheuer stolz ein kann. Wir erleben sie in der täglichen Praxis. Wir haben jedoch an dieser Stelle auch schon Urteile zum richterlichen Dezisionismus geschildert, die sich innerhalb der Instanzen wie Tag und Nacht unterscheiden.

Nachtrag am 28.12.2021: Wegen der unterschiedlichen Berichte zu dieser Auseinandersetzung: Herr Bundesjustizminister Buschmann müsste unbedingt das Buch des Richters Schleif lesen, Urteil Ungerecht". Er wird dann hoffentlich nicht mehr so reden, wie zur Zeit, sondern zurückhaltender wie ein Erfahrener „von der Farb". Wir haben über dieses Buch an dieser Stelle am 20.10.2019 berichtet. Siehe bitte in unserem Archiv mit unserer Suchfunktion. Ein Schlagwort genügt.

Nachtrag 30.12.2021: Mittlerweile wurden bereits gegenteilige Entscheidungen bekannt, nach denen die 2G-Regelung in Kraft bleibt. So zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, OVG Münster Beschluss vom 23.12.2021, Az. 13 B 1858/21.