Amtsgericht Brandenburg a. d. Havel, Urteil vom 29.10.2021, Az. 31 C 288/20. Anmerkung: Die Selbstverwaltung durch einen Kleingartenverein hat sich voll und ganz bewährt. Er hat erfolgreich einem Wildwuchs vorgebeugt.

Gerichtlicher Leitsatz 

Der Verpächter einer Kleingartenanlage im Sinne des Bundeskleingartengesetzes kann von dem Pächter der Kleingartenparzelle die Entfernung bzw. Beseitigung einer von dem Pächter in bzw. an der Gartenlaube errichteten Feuerstätte – bestehend aus einem Ofen und einem Edelstahlschornstein – verlangen (§§ 541, 581 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1, § 3, § 20a und § 20b BKleingG).

Das Gericht weiter:

Der Pächter einer Kleingartenzelle muss einen in der Gartenlaube errichteten Ofen mit Edel­stahl­schornstein entfernen. Die Feuerstätte dient der unzulässigen Dauerwohnnutzung.

Der Fall
Nachdem ein Kleingärtner im März 2020 von einem Kleingartenverein eine Kleingartenparzelle nebst Gartenlaube in Brandenburg gepachtet hatte, installierte er in der Gartenlaube einen Kaminofen mit Edelstahlschornstein. Der Verein hielt dies für unzulässig, da die Feuerstätte nicht der kleingärtnerischen Nutzung diene. Vielmehr werde damit die Möglichkeit einer unzulässigen Dauerwohnnutzung geschaffen. Der Verein erhob schließlich Klage.

Aus der gerichtlichen Begründung

Wesensmerkmal des Kleingartens ist zunächst die Nutzung fremden Landes, d.h. dass der Begriff durch Pachtverhältnisse oder ähnliche obligatorische Verhältnisse gekennzeichnet ist. Als Nutzung steht die Gartennutzung und nicht die bauliche Nutzung im Vordergrund. Kleingärtnerische Nutzung beinhaltet notwendigerweise die Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf; nur Dauerkulturen oder eine überwiegende Nutzung zu Erholungszwecken reichen für eine kleingärtnerische Nutzung nicht aus (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.10.2008, Az.: OVG 2 A 5.08; OVG Hamburg, Urteil vom 04.11.1999, Az.: 2 E 29/96.N).

Die Beurteilung, ob eine Kleingartenanlage vorliegt oder die Annahme eines anderen Gebietscharakters gerechtfertigt ist, setzt eine Gesamtbetrachtung anhand von Kriterien voraus, die eine Unterscheidung ermöglichen. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist zunächst, dass die Nutzung der Grundstücke bzw. Parzellen im Kleingartengebiet durch eine kleingärtnerische Gartennutzung und nicht durch eine Wohnnutzung geprägt ist. Ein weiteres wichtiges Merkmal sind die Gebäude. In prägendem Umfang vorhandene Wohnhäuser sprechen gegen ein Kleingartengebiet. Auch die wegemäßige Erschließung und die Versorgungsstruktur sind Kriterien zur Abgrenzung (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.10.2008, Az.: OVG 2 A 5.08; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.09.2008, Az.: OVG 2 A 24.07).

Der Flächenanteil, der der Erzeugung von Obst-, Gemüse und anderen pflanzlichen Produkten dienen muss, ist zwar gesetzlich im BKleingG aber nicht festgelegt, jedoch muss die Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen die Nutzung der Gartenparzellen maßgeblich mitprägen.

Eine Kleingartenanlage setzt aber nicht voraus, dass wenigstens die Hälfte ihrer Fläche zur Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf genutzt wird (BGH, Urteil vom 17.06.2004, Az.: III ZR 281/03; KG Berlin, Urteil vom 05.02.2009, Az.: 20 U 162/06; AG Potsdam, Urteil vom 30.10.1996, Az.: 20 C 314/96; OVG Greifswald, Urteil vom 06.05.2009, Az.: 3 K 30/07).

Die Nutzung der Parzellen zur Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen muss jedoch den Charakter der Anlage maßgeblich mitprägen, was in der Regel aber bereits anzunehmen ist, wenn wenigstens ein Drittel der Fläche zum Anbau von Gartenerzeugnissen für den Eigenbedarf genutzt wird (BGH, Urteil vom 17.06.2004, Az.: III ZR 281/03; KG Berlin, Urteil vom 05.02.2009, Az.: 20 U 162/06; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.10.2008, Az.: OVG 2 A 5.08; AG Strausberg, Urteil vom 10.03.2004, Az.: 23 C 174/03).

Es darf somit auch Erholungsnutzung stattfinden. Insofern wird der Regel eine Gartenanlage von der Erzeugung von Gartenbauprodukten aber dann nicht mehr maßgeblich mitgeprägt, wenn weniger als ein Drittel der Fläche dem Anbau von Obst und Gemüse dient (BGH, Urteil vom 17.06.2004, Az.: III ZR 281/03; KG Berlin, Urteil vom 05.02.2009, Az.: 20 U 162/06).

Hierbei ist aber auf den Charakter der gesamten Anlage abzustellen (BGH, Urteil vom 16.12.1999, Az.: III ZR 89/99; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.10.2008, Az.: OVG 2 A 5.08; LG Potsdam, Urteil vom 25.11.1996, Az.: 6 S 60/96; AG Strausberg, Urteil vom 10.03.2004, Az.: 23 C 174/03; AG Potsdam, Urteil vom 30.10.1996, Az.: 20 C 314/96) und nicht nur auf den Charakter einzelner Pachtflächen.

Der Charakter als Wochenendhausgebiet lässt sich bei der Gesamtbewertung somit nicht schon damit begründen, dass die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse auf einer mehr oder weniger großen Zahl von Parzellen nicht in jeder Hinsicht den Rahmen des Kleingartenrechts einhalten. Wenn die Nutzer eines Kleingartengebiets den Erholungszweck gegenüber dem kleingärtnerischen Anbau stärker in den Vordergrund stellen, als es das Bundeskleingartengesetz zulässt, so entsteht damit nicht zwangsläufig ein Wochenendhausgebiet und verliert das so genutzte Kleingartengelände nicht zwangsläufig die Sicherungsbedürftigkeit und Sicherungsfähigkeit im Rahmen der Bauleitplanung. Verletzungen des Kleingartenrechts kann mit den dort eröffneten Mitteln einer Abmahnung und Kündigung der Pachtverhältnisse und unter Umständen auch mit bauaufsichtlichem Einschreiten begegnet werden. Ein Wochenendhausgebiet entsteht aus der Fehlentwicklung einer Kleingartenanlage somit allenfalls dann, wenn dessen Merkmale das Gebiet dauerhaft so prägen, dass eine Wiederherstellung des Kleingartencharakters erkennbar nicht ernstlich mehr erwartet werden kann (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.10.2008, Az.: OVG 2 A 5.08; OVG Hamburg, Urteil vom 04.11.1999, Az.: 2 E 29/96.N).

Hiervon ausgehend hat die richterliche Inaugenscheinnahme im Ortstermin vom 13.08.2021 hier aber eine typische und die Anlage in ihrer Gesamtheit prägende kleingärtnerische Nutzung auf dem überwiegenden Teil dieses Grundstücks ergeben. ....

Maßgebend dafür, ob ein Nutzungsverhältnis nach den Vorschriften des BKleingG oder den allgemeinen Bestimmungen des Miet- und Pachtrechts, modifiziert durch die Regelungen des Schuldrechtsanpassungsgesetzes, zu beurteilen ist, ist zwar die bei Wirksamwerden des Beitritts am 03. Oktober 1990 tatsächlich ausgeübte Art der Nutzung (BGH, Urteil vom 27.10.2005, Az.: III ZR 31/05; BGH, Urteil vom 24.07.2003, Az.: III ZR 203/02; BGH, Urteil vom 18.03.2004, Az.: III ZR 180/03; BGH, Urteil vom 16.12.1999, Az.: III ZR 89/99; OLG Jena, Beschluss vom 11.11.2019, Az.: 5 W 307/19; KG Berlin, Urteil vom 05.02.2009, Az.: 20 U 162/06; KG Berlin, Urteil vom 18.02.2002, Az.: 20 U 6044/00; KG Berlin, Urteil vom 26.10.2000, Az.: 20 U 956/00; LG Frankfurt/Oder, Urteil vom 24.11.2011, Az.: 15 S 136/10; LG Berlin, Urteil vom 19.06.2000, Az.: 61 S 387/99; LG Potsdam, Urteil vom 25.11.1996, Az.: 6 S 60/96; AG Potsdam, Urteil vom 01.09.2004, Az.: 20 C 475/03; AG Strausberg, Urteil vom 10.03.2004, Az.: 23 C 174/03; AG Potsdam, Urteil vom 30.10.1996, Az.: 20 C 314/96).

Insofern hat der klägerische Verein hier aber die tatsächlich existierende Nutzung dieser Grundstücksfläche zu diesem Zeitpunkt schlüssig dargetan, so dass das vorliegende Nutzungsverhältnis auch dem BKleingG unterfällt. Denn die Klägerseite hat sowohl zur kleingärtnerischen Nutzung seit Errichtung dieser Kleingartenanlage in den 50-iger Jahren als auch am Stichtag (03.10.1990) hinreichend vorgetragen, dass bereits seinerzeit eine Kleingartenanlage bestanden hat. Die Gärten lagen bereits unstreitig am 03.10.1990 in einer Anlage, in der mehrere Einzelgärten mit gemeinschaftlichen Einrichtungen zusammengefasst waren (OLG Jena, Beschluss vom 11.11.2019, Az.: 5 W 307/19; KG Berlin, Urteil vom 26.10.2000, Az.: 20 U 956/00; LG Berlin, Urteil vom 19.06.2000, Az.: 61 S 387/99; AG Potsdam, Urteil vom 01.09.2004, Az.: 20 C 475/03). .....

Der Kleingartencharakter einer Anlage ist hier auch nicht aus anderem Grund zu verneinen. Insbesondere sind die hiesigen Parzellen nicht mit Eigenheimen oder ihnen nahekommenden Baulichkeiten (vgl. dazu: BGH, Urteil vom 18.03.2004, Az.: III ZR 180/03; BGH, Urteil vom 05.02.2004, Az.: III ZR 331/02; BGH, Urteil vom 24.07.2003, Az.: III ZR 203/02; BGH, Urteil vom 13.02.2003, Az.: III ZR 176/02) bebaut worden (LG Berlin, Urteil vom 19.06.2000, Az.: 61 S 387/99).

......

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
zertifizierte Datenschutzbeauftragte (DSB-TÜV)
Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

TELEFON:

+49.89.9280850

E-MAIL:

as@schweizer.eu

Zum Profil