Bundesgerichtshof Urteil vom 11.12.2020, Az. V ZR 268/19. Die planerische Konzeption entscheidet. Ein Nachbarrechtsstreit besonderer Art.
Leitsatz
Die ordnungsmäßige Nutzung eines Wohngrundstücks setzt dessen Erreichbarkeit mit einem Kraftfahrzeug ausnahmsweise nicht voraus, wenn das Grundstück in einem Gebiet liegt, in dem der Kraftfahrzeugverkehr nach der planerischen Konzeption von den einzelnen Wohngrundstücken ferngehalten werden soll; ein Notwegrecht kann dann nicht verlangt werden.
Der Fall, wie ihn der BGH schildert.
Der Beklagte erwarb im Jahr 2017 ein an die Siedlung und an das Grundstück der Kläger angrenzendes Grundstück. Hierauf verläuft der sog. Sandweg, der an dem hinteren Teil des Grundstücks der Kläger vorbeiführt. Der Weg ist mit einer öffentlichen Straße verbunden; nach Darstellung der Kläger haben sie ihn seit 1998 als Zufahrt zu ihrem Grundstück genutzt. Nachdem der Beklagte angekündigt hatte, eine Nutzung des Wegs künftig nur gegen Entgelt zu gestatten, Vertragsverhandlungen hierüber aber gescheitert waren, errichtete er einen Zaun, der die Durchfahrt verhindert. Die Kläger verlangen von dem Beklagten, die Benutzung des Sandwegs zum Zwecke des Zugangs und der Zufahrt mit einem PKW zu ihrem Grundstück zu dulden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger ihr Klageziel weiter, allerdings nur noch Zug um Zug gegen Zahlung einer angemessenen Notwegrente.
Rechtliche Begründung, die entscheidenden Passagen
Die ordnungsmäßige Nutzung eines Wohngrundstücks im Sinne des § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt dessen Erreichbarkeit mit einem Kraftfahrzeug daher ausnahmsweise nicht voraus, wenn das Grundstück in einem Gebiet liegt, in dem der Kraftfahrzeugverkehr nach der planerischen Konzeption von den einzelnen Wohngrundstücken ferngehalten werden soll; ein Notwegrecht kann dann nicht verlangt werden.
Nach diesen Grundsätzen nimmt das Berufungsgericht zutreffend an, dass die Kläger von dem Beklagten kein Notwegrecht beanspruchen können.
Rechtsfehlerfrei geht es von einem Planungskonzept für die hier in Rede stehende Siedlung aus, nach dem die einzelnen Grundstücke nicht mit einem Kraftfahrzeug angefahren werden können. Das Gebiet ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts als reine Wochenendhaussiedlung konzipiert worden, wobei das zeitweilige Wohnen im „Grünen“ und die Erholung in der Natur im Vordergrund standen. Entsprechend diesem Konzept können Kraftfahrzeuge nur die mittig durch die Siedlung verlaufende Straße benutzen, von der die Fußwege zu den einzelnen Grundstücken abzweigen.
Anmerkung
Deshalb muss der Nachbar in diesem Fall auch nicht nach § 917 auch nicht mit einer Notwegrente entschädigen..
§ 917 Notweg
(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.
(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. Die Vorschriften des § 912 Abs. 2 Satz 2 und der §§ 913, 914, 916 finden entsprechende Anwendung.
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