Bundesgerichtshof Beschluss vom 12. Oktober 2021, Az. VI ZB 76/19, beanntgegeben heute 16.11.2021. § 520 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO gehören zum Handwerkszeug. 

Leitsatz

Wird eine Berufung ausschließlich auf neues Vorbringen gestützt, kann sie ohne weiteres durch Beschluss verworfen werden, wenn die Berufungsbegründung keine Angaben zu den Tatsachen enthält, die eine Zulassung des neuen Vorbringens nach § 531 Abs. 2 ZPO rechtfertigen. Dass das Vorbringen zuzulassen wäre, wenn es sich im Verlauf des Berufungsverfahrens als unstreitig erwiese, steht dem nicht entgegen (Anschluss an BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2014 - V ZB 225/12, NJW-RR 2015, 465 f.).

Die entscheidenden Sätze aus der Begründung (Seiten 5/6 des Beschlusses)

Nach gefestigter Rechtsprechung kann zwar eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils auch ausschließlich mit neuen Angriffs- oder Verteidigungsmitteln begründet werden und bedarf es in einem solchen Fall auch keiner Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils (vgl. nur BGH, Beschluss vom 27. März 2007 - VIII ZB 123/06). Dies macht es aber nicht entbehrlich, in der Berufungsbegründung gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO die Tatsachen vorzutragen, aufgrund derer das neue Vorbringen nach Ansicht des Berufungsführers zuzulassen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2014 - V ZB 225/12, NJW-RR 2015, 465 Rn. 8 mwN). An diesem Vorbringen in der Berufungsbegründung fehlt es jedoch. Erst mit seiner Stellungnahme zum Hinweis des Berufungsgerichts auf die beabsichtige Verwerfung der Berufung nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist hat der Kläger dargetan, dass er zur Schaffung einer illegalen Abschalteinrichtung in Gestalt eines Thermofensters durch Aufspielen des Software-Updates nicht früher habe vortragen können, weil die Einlassung der Beklagten in einem Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart erst im Jahre 2019 erfolgt sei.

Anmerkung, der Gesetzeswortlaut § 520 Abs. 2 und 3 ZPO

(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie

1. einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist,
2. infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder
3. im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1. die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2. die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3. die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4. die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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