Bundesgerichtshof Urteil vom 21. 9. 2021, Az VI ZR 726/20. Hervorhebungen von uns.

Vom BGH formulierter „Leitsatz”

Zur Reichweite der Haftung des Halters eines Kraftfahrzeugs mit Arbeitsfunktion nach § 7 Abs. 1 StVG (Schadensverursachung durch einen von einem Traktor angetriebenen Kreiselmäher beim Mähen einer als Weideland genutzten Wiesenfläche; Anschluss an Senatsurteil vom 24. März 2015 - VI ZR 265/14).

Von uns ergänzt: Eine Haftung setzt nach dem Schutzzweck des § 7 StVG voraus, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeugs als Fortbewegungs- und Transportmaschine besteht. 

Der Fall, wie er im Tatbestand aufgeführt wird:

Der Kläger nimmt die Beklagten auf materiellen und immateriellen Schadensersatz aufgrund eines Unfallereignisses am 4. Juli 2016 in Anspruch. An diesem Tag mähte der Beklagte zu 1 mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Traktor und dem von diesem angetriebenen Kreiselmäher eine als Weideland genutzte Wiesenfläche. Während der Mäharbeiten wurde der Kläger, der sich auf dem angrenzenden Grundstück am Rande des dort befindlichen Reitplatzes aufhielt, durch einen Stein am rechten Auge getroffen und schwer verletzt. Der Kläger behauptet, der Stein sei bei den Mäharbeiten durch das Kreiselmähwerk in seine Richtung hochgeschleudert worden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht nach Beweisaufnahme zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die von ihm geltend gemachten Ansprüche in vollem Umfang weiter.

Rechtliche Begründung

Bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktionen ist es erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeuges als eine der Fortbewegung und dem Transport dienende Maschine (vgl. § 1 Abs. 2 StVG) besteht. Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt daher, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeuges keine Rolle mehr spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird (vgl. Senatsurteile vom 24. März 2015 - VI ZR 265/14, VersR 2015, 638 Rn. 6; vom 5. Juli 1988 - VI ZR 346/87,...) oder bei Schäden, in denen sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht hat (vgl. Senatsurteil vom 2. Juli 1991 - VI ZR 6/91 ...). Eine Verbindung mit dem "Betrieb" als Kraftfahrzeug kann zu bejahen sein, wenn eine "fahrbare Arbeitsmaschine" gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichtet (vgl. Senatsurteil vom 18. Januar 2005 - VI ZR 115/04, VersR 2005, 566, 567, juris Rn. 11; BGH, Urteil vom 13. Dezember 1990 - III ZR 14/90, BGHZ 113, 164, 165, juris Rn. 6; vgl. auch OLG Stuttgart, VersR 2003, 1275, 1276, juris Rn. 16; OLG Rostock, DAR 1998, 474, 475, juris Rn. 4). Dieser Gesichtspunkt kann jedoch nicht losgelöst von dem konkreten Einsatzbereich des Fahrzeugs gesehen werden. Ausschlaggebend ist insoweit nicht das Stehen oder Fahren während der Arbeitsfunktion (vgl. Senatsurteile vom 8. Dezember 2015 - VI ZR 139/15, VersR 2016, 1048 Rn. 13; vom 24. März 2015 - VI ZR 265/14, ...). Wann haftungsrechtlich nur noch die Funktion als Arbeitsmaschine infrage steht, lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände entscheiden (vgl. Senatsurteil vom 24. März 2015 - VI ZR 265/14, ...).

Dagegen kommt es ... bei der haftungsrechtlichen Einordnung der Verwendung des Traktors hier nicht entscheidend darauf an, dass im Streitfall der Schaden während und nicht - wie vom Senat bei der Beurteilung des "Kreiselschwaderfalls" als ergänzender Gesichtspunkt aufgeführt (Senatsurteil vom 24. März 2015 - VI ZR 265/14, VersR 2015, 638 Rn. 14) - nach Abschluss des Arbeitsvorganges entstanden ist. Denn dieser Umstand stellt für sich genommen keinen hinreichenden Zusammenhang des Einsatzes der Arbeitsmaschine mit dem Kraftfahrzeugverkehr her, vor dessen Gefahren § 7 StVG Schutz bieten will. Soweit die Revision darauf abhebt, dass im vorliegenden Fall eine unmittelbare Verbindung des Schadenseintritts mit der Fortbewegung des Traktors deshalb bestehe, weil diese kausal für die Funktion des Mähwerks gewesen sei, hat das Berufungsgericht schon nicht festgestellt, dass das schadensursächliche Hochschleudern eines Gegenstandes durch den Kreiselmäher nur während der Fortbewegung des Traktors möglich gewesen sei, ohne dass die Revision entsprechenden Vortrag des Klägers als übergangen rügen würde. Im Übrigen würde allein dieser kausale Zusammenhang - wie dargelegt - für die Haftung nicht ausreichen.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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