Landgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 24.6.2021, Az. 2-13 S 25/20.
Verwalter müssen Beschlüsse von Eigentümerversammlungen umsetzen. Die Entscheidung gilt auch für das novellierte WEG-Recht; die Entscheidung weist ausdrücklich darauf hin. Besonders bedeutsam sind die Hinweise des Gerichts, dass und wann der Abberufungsbeschluss rechtswirksam gegen die Mehrheit ergehen darf. Das Rechtsprinzip „wichtiger Grund” gilt unseres Erachtens grundsätzlich generell im gesamten Recht.
Leitsatz
Die Wahl eines Verwalters, der – auch trotz anderweitiger Beschlussfassung der Wohnungseigentümer – über einen längeren Zeitraum nicht dafür Sorge getragen hat, dass eine Gebäudefeuerversicherung abgeschlossen wurde, entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung.
Tut der Verwalter dies nicht, kann das ein Grund für eine Abberufung sein. Wird zum Beispiel trotz Beschlusses eine Gebäudefeuerversicherung längere Zeit nicht abgeschlossen, müssen Eigentümer das nicht hinnehmen.
Aus den Gründen (Hervorhebungen, wie meist, von uns)
„Allerdings kann der Beschluss über die Weiterbestellung der ehemaligen Verwaltung nur dann für ungültig erklärt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegen würde, der gegen die Bestellung dieser Verwaltung gesprochen hätte. Ein solcher Grund ist ebenso wie bei der Abberufung nach § 26 Abs. 1 S. 4 WEG aF aus wichtigem Grund zu bejahen, wenn unter Berücksichtigung aller, nicht notwendig vom Verwalter verschuldeter Umstände nach Treu und Glauben eine Zusammenarbeit mit dem gewählten Verwalter unzumutbar und das erforderliche Vertrauensverhältnis von vornherein nicht zu erwarten ist. Dieses kann der Fall sein, wenn Umstände vorliegen, die den Gewählten als unfähig oder ungeeignet für das Amt erscheinen lassen. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes verpflichtet die Wohnungseigentümer aber noch nicht ohne weiteres dazu, den Verwalter auch tatsächlich abzuberufen. Ebenso haben die Wohnungseigentümer auch bei der (neuerlichen) Bestellung des Verwalters, bei der sie eine Prognose darüber anstellen müssen, ob er das ihm anvertraute Amt ordnungsgemäß ausüben wird, einen entsprechenden Beurteilungsspielraum. Die Bestellung des Verwalters widerspricht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung deshalb erst, wenn die Wohnungseigentümer ihren Beurteilungsspielraum überschreiten, wenn es also objektiv nicht mehr vertretbar erscheint, den Verwalter ungeachtet der gegen ihn sprechenden Umstände zu bestellen. Dieses ist jedoch der Fall, wenn die Mehrheit aus der Sicht eines vernünftigen Dritten gegen ihre eigenen Interessen handelt, weil sie – etwa aus Bequemlichkeit – massive Pflichtverletzungen des Verwalters tolerieren will (BGH NZM 2012, 347 = ZWE 2012, 221; ZMR 2014, 904; Kammer ZWE 2020, 196 Rn. 16).
Die Ausführungen des Amtsgerichts, dass eine derartige Pflicht verletzt ist, weil das Gebäude über einen längeren Zeitraum ohne Gebäudefeuerversicherung war, sind nach Auffassung der Kammer zutreffend. Eine derartige Lücke im Versicherungsschutz führt zu einem Totalverlustrisiko, dieses muss ein Eigentümer nicht hinnehmen. Insoweit kann in vollem Umfang auf die Ausführungen des Amtsgerichts Bezug genommen werden. Hinzu kommt, dass die Eigentümer auf der Versammlung am 22.10.2018, die von der Berufungsführerin geleitet wurde, beschlossen haben, eine Gebäudeversicherung abzuschließen, wobei zu diesem Zeitpunkt offenbar schon längere Zeit (nach Vortrag der Klägerin seit 2014) kein Versicherungsschutz mehr bestand. Wenn eine derartige Versicherung dann im März 2019 immer noch nicht abgeschlossen wurde, ist es für einen Eigentümer objektiv nicht mehr hinzunehmen, diesem Verwalter weiter die Verwaltung eines erheblichen Teils seines Vermögens anzuvertrauen. Die Wahl eines derart ungeeigneten Verwalters muss ein Eigentümer gegen seinen Willen nicht hinnehmen, denn der Verwalter hat durch seine Tätigkeit Zugriff auf wesentliche Vermögenswerte der Eigentümer. Einen in diesem Bereich unzuverlässigen Verwalter muss ein Eigentümer auch dann nicht hinnehmen, wenn die Mehrheit der Eigentümer meint, ihm gleichwohl vertrauen zu können (Kammer ZWE 2020, 196 Rn. 18).
Hiergegen wendet sich die Berufung auch ohne Erfolg. Soweit sie meint, eine Gebäudehaftpflichtversicherung habe bestanden, verkennt sie, dass § 21 Abs. 5 Nr. 3 WEG aF nicht nur eine Haftpflichtversicherung, sondern auch – und für die Eigentümer von besonderem Interesse – eine Gebäudefeuerversicherung erfordert, um das Risiko eines Totalverlustes im Schadensfall abzuwenden.
Anmerkung
Einerseits: Für Nichtjuristen: „wichtiger Grund” ist nicht jeder Grund, der wichtig erscheint. Die Juristensprache ist erheblich „„„enger und verlangt „Unzumutbarkeit”.
Andererseits bedeutet dieses Urteil mit dem Hinweis auf den „wichtigen Grund” als Kriterium für die Praxis unter Umständen geradezu eine Rettung. Oft sind Minderheiten in WEGs Mehrheiten hilflos ausgeliefert. Es geht nicht nur um den Fall, dass Wohnungseigentümer eben mehr invesiert haben und damit über mehr Anteile verfügen. In der Praxis ist offenbar der Fall häufig, dass sich der Hausverwalter mit Kunstgriffen stark macht. Zum Beispiel, indem er sich mit Beiräten zusammentut, diese einseitig bedient, mit Vollmachten weniger interessierter oder nur investierender Wohnungseigentümer sich eine Stimmenmerheit verschafft und so sich ein möglichst genehmes Leben verschafft. Für diese Fälle bietet das Urteil ein Patentrezept.
In anderen wohl selteneren Fällen wird der Verwalter aus unsachlichen Gründen von einer Mehrheit unterjocht. Auch für diese Fälle bietet das Urteil ein Patentrezept.
Selbstverständlich ist das Kriterium des „wichtigen Grundes” nicht nur auf die Abberufung des Verwalters beschränkt. Es gilt generell. Tief ergründet, ergibt es sich aus der von uns ermittelten Grundnorm; siehe zu ihr unsere Suchfunktion und insbesondere unsere Schrift „Die Entdeckung der pluralistischen Wirklichkeit”, im Volltext nachlesbar bei:
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