Bundesgerichtshof Urteil vom 29. Juni 2021, herausgegeben am 5.8.2021, Az. VI ZR 10/18. Ein Thema für höchst fortgeschrittene Datenschutzrechtler.
Der Fall, soweit er hier interessiert und vom BGH wiedergegeben wird
Seit dem Jahr 2010 betreibt der Beklagte die Website www.aktienversenker.de in Form eines Blogs, zuletzt - unter voller Namensnennung des Klägers - mit dem Titel "Alles über die Firmenräuber T[…] W[…] und O[…] K[…] [Kläger]", ...Ein erheblicher Teil der zahlreichen Blogbeiträge befasst sich mit dem Kläger und seinen angeblichen Fehlgriffen und Peinlichkeiten. Er wird in den Beiträgen wiederholt als „Firmenräuber", „Börsenhallodri" oder „Börsenversager" sowie „Zahlenschubser", „Bilanzverdreher" u. ä. bezeichnet.
Die rechtliche Abgrenzung durch den BGH
Der Schutzbedarf gründet hier nicht in der intransparenten Zuweisung von Persönlichkeitsmerkmalen und -profilen durch Dritte, sondern in der sichtbaren Verbreitung bestimmter Informationen im öffentlichen Raum. Gefährdungen für die Persönlichkeitsentfaltung ergeben sich hier vornehmlich aus Form und Inhalt der Veröffentlichung selbst. Schutz gegenüber solchen Gefährdungen bieten die äußerungsrechtlichen Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unabhängig von dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfGE 152, 152 Rn. 91 - Recht auf Vergessen I). Da sich der Kläger im Streitfall nicht gegen eine Pflicht zur Preisgabe von Daten oder gegen eine intransparente Nutzung seiner Daten, sondern gegen die Art und Weise der - ihm selbst ohne weiteres zugänglichen - Berichterstattung über seine Person gegenüber der Öffentlichkeit wendet, sind damit die äußerungsrechtlichen Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts maßgebend.
Anmerkungen. Wir haben diese Abgrenzung herausgestellt, obwohl heute unter anderem andere Ereignisse und Umstände vorrangig sind. So der Beschluss zu den Rundfunkbeiträgen (ihn kennt heute jeder) und die nachfolgenden Leitsätze zum BGH-Urteil vom 29. Juni 2021 (diese Leitsätze sind spezieller als die Abgrenzung).
1. Rundfunkbeitrag
Heute, 5.8.2021, hat der Erste Senat des Bundesverfassungserichts seinen Beschluss vom 20. Juli 2021, Az. 1 BvR 2756/20, 1 BvR 2777/20, 1 BvR 2775/20, veröffentlicht. Nach ihm hat das Land Sachsen-Anhalt durch das Unterlassen seiner Zustimmung zum Ersten Medienänderungsstaatsvertrag die Rundfunkfreiheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Die Bestimmungen des Artikel 1 des Ersten Medienänderungsstaatsvertrags – mit der darin vorgesehenen Anpassung des Rundfunkbeitrags –gelten vorläufig mit Wirkung vom 20. Juli 2021 bis zum Inkrafttreten einer staatsvertraglichen Neuregelung über die funktionsgerechte Finanzierung von ARD, ZDF und Deutschlandradio.
2. Die beiden Leitsätze zum Urteil des BGH vom 29. Juni 2021, bekannt gegeben heute 5.8.2021:
a) Dient der Betrieb eines einer bestimmten Person "gewidmeten", ehrbeeinträchtigenden Blogs dem Blogger (auch) als Nötigungsmittel im Rahmen einer Erpressung im Sinne von § 253 StGB, so kann sich daraus die Rechtswidrigkeit der mit dem Blogbetrieb verbundenen Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ergeben.
b) Für die Annahme des Interesses an alsbaldiger Feststellung der Pflicht zum Ersatz materieller Schäden im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO genügt im Falle, der Kläger stützt den entsprechenden Schadensersatzanspruch auf die Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die bloße Möglichkeit solcher Schäden. Einer dahingehenden Wahrscheinlichkeit bedarf es nicht.
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