Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.05.2021, Az.- 7 B 369/21 -

In Kürze:

Ein 30 m hoher Funkmast ist in einem reinen Wohngebiet als Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO zulässig. 

In dem zugrunde liegenden Fall klagte der Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks zu Beginn des Jahres 2021 vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen die genehmigte Errichtung einer 30 m hohen Mobilfunkanlage. Zugleich beantragte er Eilrechtsschutz. Er meinte, das Bauvorhaben liege in einem reinen Wohngebiet, weshalb die Errichtung des Funkturms unzulässig sei. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Eilrechtsschutz ab. Dagegen richtete sich die Beschwerde des Grundstückseigentümers.

Zulässigkeit des Funkturms in reinem Wohngebiet als Nebenanlage
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Selbst wenn das Bauvorhaben in einem reinen Wohngebiet liegen sollte, sei der Funkturm als Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO einzustufen und daher ausnahmsweise zulassungsfähig.

Da auch andernorts Betroffene die ausführlichere Begründung interessieren wird (Hervorhebungen von uns):

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage - 2 K 614/21 - gegen die Baugenehmigung vom 28.10.2020 abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Interessenabwägung falle zugunsten der Beigeladenen aus, weil die Klage gegen die ihr erteilte Baugenehmigung voraussichtlich keinen Erfolg habe. Es könne offenbleiben, ob sich der genehmigte Standort der Mobilfunkanlage in einem allgemeinen oder reinen faktischen Wohngebiet oder einem faktischen Dorfgebiet oder einer Gemengelage befinde, unabhängig davon bestehe kein Gebietserhaltungsanspruch. Auch in einem Wohngebiet sei der Funkturm jedenfalls als Nebenanlage nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO ausnahmsweise zulässig. Es liege auch kein Verstoß gegen das planungsrechtliche Rücksichtnahmegebot vor.

Das Beschwerdevorbringen führt nicht zur Änderung dieser Entscheidung.

Der Antragsteller wendet gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ohne Erfolg ein, es bestehe ein Gebietserhaltungsanspruch, denn die Anlage sei im vorliegenden faktischen reinen Wohngebiet nicht als Nebenanlage nach § 14 Abs. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässig.

Der Senat geht mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass die Anlage nach der allein gebotenen summarischen Beurteilung auch bei Annahme eines reinen Wohngebiets als Nebenanlage nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO einzustufen und dort ausnahmsweise zulassungsfähig ist.

Die Rügen des Antragstellers zur Zulassung als Nebenanlage nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO in einem faktischen reinen Wohngebiet erschüttern die Begründung des Verwaltungsgerichts nicht.

Auf die vom Antragsteller vermisste räumlich-gegenständliche Unterordnung kommt es nach Maßgabe der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen grundsätzlich nicht an.

Soweit danach anderes allenfalls bei einem außergewöhnlichen Erscheinungsbild der Anlage in Betracht kommt, sind diese Voraussetzungen summarischer Prüfung zufolge nicht gegeben, das hat auch die Beigeladene in der Beschwerdeerwiderung vom 12.4.2021 unter Hinweis auf die Dimensionierung des etwa 30 m hohen Funkmastes zutreffend ausgeführt.

Ebenso wenig erschüttert das Beschwerdevorbringen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Ausnahmevoraussetzungen nach § 31 Abs. 1 BauGB seien erfüllt. Dies gilt insbesondere auch für die erstinstanzlichen Feststellungen zum Bestehen eines erheblichen Interesses der Allgemeinheit an der Existenz eines funktionsfähigen Mobilfunknetzes und dem Fehlen städtebaulicher Versagungsgründe für eine Ausnahmeerteilung.

Ergänzend ist mit Blick auf die Kritik des Antragstellers am Fehlen einer ausdrücklichen Ausnahmeentscheidung der Antragsgegnerin nach § 31 Abs. 1 BauGB darauf hinzuweisen, dass das Bestehen eines Gebietsgewährleistungsanspruchs - wie auch vom Verwaltungsgericht zutreffend zugrunde gelegt - schon dann zu verneinen ist, wenn die Erteilung einer planungsrechtlichen Ausnahme zulässig ist, ob die Erteilung im Einzelfall bereits erfolgt bzw. fehlerfrei war, ist deshalb unerheblich. Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 23.11.2016 - 7 A 774/15 -, BRS 84 Nr. 132 = BauR 2017, 216.

Ob die Anlage auch an einem anderen Standort errichtet werden könnte, wie der Antragsteller geltend macht, ist danach ebenfalls unerheblich.

Aus dem Vorbringen in Beschwerdeverfahren ergibt sich summarischer Prüfung zufolge auch nicht der geltend gemachte Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot. Insbesondere kann aus der vom Antragsteller zitierten Senatsentscheidung vom 5.11.2007 - 7 B 1182/07 -, BRS 71 Nr. 132 nicht abgeleitet werden, dass hier von einer "optisch bedrängenden" bzw. "erschlagenden" Wirkung der Anlage zulasten des Wohnhauseigentums des Antragstellers ausgegangen werden müsste. Dies ist vielmehr aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses im hier zu beurteilenden Fall zu verneinen.

Anmerkung

Die Konsequenz: Wer in NRW betroffen ist, muss auf ein dezisionistisches Wunder hoffen. Alles andere ist verlorene Liebesmüh. Nach Shakespeare: „Love's Labour Lost” müssen die Vier  wenigstens nur ein Jahr hoffen. Nicht in NRW. 

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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