Bundesgerichtshof Urteil vom 16. April 2021, Az. V ZR 85/20. Herausgegeben am 19.7.2021, Hervorhebungen von uns.

Gerichtliche Leitsätze

a) Ein Notwegrecht nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt nicht in Betracht, wenn der Eigentümer des verbindungslosen Grundstücks eine Zufahrt zu diesem in
zumutbarer Weise über ein anderes, in seinem Eigentum stehendes Grundstück errichten kann; in diesem Fall kann das Notwegrecht allenfalls befristet und längstens bis zur Herstellung der anderweitigen Verbindung mit dem öffentlichen Weg zugesprochen werden.
b) Erfordert die Errichtung einer Zufahrt zu dem verbindungslosen Grundstück eine Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans und kommt in Betracht, dass der Eigentümer einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf deren Erteilung hat, ist es ihm grundsätzlich zuzumuten, diesen gerichtlich durchzusetzen; ob eine solche Klage vor den Verwaltungsgerichten hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, muss das Zivilgericht bei der Entscheidung über das Bestehen des Notwegrechts in eigener Zuständigkeit prüfen.
c) Ein durch eine Grunddienstbarkeit gesichertes Wegerecht gewährt dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks einen Vorteil i.S.v. § 1019 BGB nur für dieses, nicht aber für weitere, in seinem Eigentum stehende oder von ihm genutzte Grundstücke; eine Benutzung des dienenden Grundstücks auch für Zwecke anderer Grundstücke als des herrschenden ist grundsätzlich widerrechtlich (Bestätigung von Senat, Urteil vom 5. Oktober 1965 - V ZR 73/63, BGHZ 44, 171; Urteil vom 6. Juni 2003 - V ZR 318/02).

Anmerkung

Wie so oft im Nachbarrecht gehen die Grundsätze auf „Treu und Glauben” zurück. Zumutbar ist ein Unterbegriff von Treu und Glauben, § 242 Bürgerliches Gesetzbuch. Bei Treu und Glauben sind die Wertvorstellungen der Allgemeinheit und der beteiligten Verkehrskreise maßgeblich. Den Normalfall entscheidet das Gericht nach eigener (verantwortungsvoller) Überzeugung. Bei besonders wichtigen Fällen kann der Betroffene eine repräsentative Umfrage durchführen lassen. Die Digitalität wird künftig immer mehr dazu beitragen, repräsentative Daten als Grundlage für eine Entscheidung schnell und kostegünsig zu ermitteln. Unter den Suchworten Grundnorm, Verkehrsauffassung, Dezisionismus finden Sie über unsere Suchfunktion weitere Hinweise.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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