Bundesgerichtshof Urteil vom 15. Juni 2021, Az. VI ZR 576/19. Mit dieser Rechtsprechung musste der Gesetzgeber rechnen. Auskunftspflichtige sorgen am besten so vor, dass sie eine abschließende Negativauskunft geben können.
Einige Auszüge aus dem Urteil:
1.
Seite 8: [Die Erklärung des Auskunftsschuldners, dass die Auskunft vollständig ist,] setzt demnach voraus, dass die erteilte Auskunft erkennbar den Gegenstand des berechtigten Auskunftsbegehrens vollständig abdecken soll. Daran fehlt es beispielsweise dann, wenn sich der Auskunftspflichtige hinsichtlich einer bestimmten Kategorie von Auskunftsgegenständen nicht erklärt hat, etwa weil er irrigerweise davon ausgeht, er sei hinsichtlich dieser Gegenstände nicht zur Auskunft verpflichtet. Dann kann der Auskunftsberechtigte eine Ergänzung der Auskunft verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 1952 - IV ZR 45/50 und - IV ZR 16/51).
2.
Seiten 9 und 10: Der Kläger hat jedoch, wie sich aus seinem Zwischenfeststellungsantrag und dem Sitzungsprotokoll der Berufungsverhandlung ergibt und worauf die Revision zu Recht hinweist, sein Auskunftsbegehren angesichts der bereits erteilten Auskünfte unter anderem dahingehend präzisiert, dass er weitergehende Auskünfte hinsichtlich der gesamten noch nicht mitgeteilten Korrespondenz der Parteien, einschließlich der Daten des vollständigen Prämienkontos und etwaig erteilter Zweitschriften und Nachträge zum Versicherungsschein, sowie Datenauskünfte bezüglich sämtlicher Telefon-, Gesprächs- und Bewertungsvermerke der Beklagten zum Versicherungsverhältnis fordere. Dass die Beklagte auch hinsichtlich dieser Gegenstände des Auskunftsbegehrens erklärt hätte, bereits vollständig Auskunft erteilt zu haben, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Soweit das Berufungsgericht die Auffassung vertritt, diese Auskunftsgegenstände unterfielen bereits ihrer Art nach nicht dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO, beruht dies - jedenfalls teilweise - auf einem fehlerhaften Verständnis des Begriffs der personenbezogenen Daten im Sinne der DS-GVO und des Zwecks des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs.
Gemäß Art. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 DS-GVO sind "personenbezogene Daten" alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Nach dieser Definition und der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist.
3. Ende 10/11
Nach Erwägungsgrund 63 Satz 1 der DS-GVO dient das Auskunftsrecht der betroffenen Person hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten dem Zweck, sich der Verarbeitung (zum Begriff vgl. Art. 4 Nr. 2 DS-GVO; zu dem vom sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung erfassten Bereich der Verarbeitung vgl. Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 6 DS-GVO) bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können.
(b) Nach diesen Grundsätzen können entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die zurückliegende Korrespondenz der Parteien, das "Prämienkonto" des Klägers und Daten des Versicherungsscheins sowie interne Vermerke
und Kommunikation der Beklagten nicht kategorisch vom Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO ausgeschlossen werden.
(aa) Schreiben des Klägers an die Beklagte sind grundsätzlich ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten gemäß Art. 4 Nr. 1 DS-GVO anzusehen. Die personenbezogene Information besteht bereits darin, dass sich der Kläger dem Schreiben gemäß geäußert hat (vgl. noch ....). Auch die Schreiben der Beklagten an den Kläger unterfallen dem Auskunftsanspruch insoweit, als sie Informationen über den Kläger nach den oben genannten Kriterien enthalten. Dass die Schreiben dem Kläger bereits bekannt sind, schließt für sich genommen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus (vgl. ....). Die Beklagte soll Auskunft darüber geben, ob sie die im Schriftverkehr enthaltenen personenbezogenen Daten aktuell verarbeitet, insbesondere speichert. Die Auskunft soll den Kläger, wie bereits dargelegt, in die Lage versetzen, sich der Datenverarbeitung bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
4. Seite 12
Er soll sich insbesondere vergewissern können, dass die ihn betreffenden Daten richtig sind und in zulässiger Weise verarbeitet werden (vgl. ...). Das etwaige Bewusstsein des Klägers, dass die fragliche Korrespondenz einst gewechselt wurde, genügt insoweit nicht. Zu beachten ist ferner, dass der Auskunftsberechtigte grundsätzlich wiederholt Auskunft verlangen kann (vgl. ...). Dies spricht ebenfalls gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, das Auskunftsrecht nach Art. 15 DS-GVO beschränke sich auf Daten, die dem Betroffenen noch nicht bekannt sind. Daher sind auch etwaige Zweitschriften und Nachträge zu dem Versicherungsschein, auf die sich das Auskunftsbegehren des Klägers ausweislich des Sitzungsprotokolls mit erstreckt, nicht grundsätzlich vom datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch ausgeschlossen, soweit die darin enthaltenen personenbezogenen Daten bei der Beklagten verarbeitet werden. Dementsprechend ist auch nicht ersichtlich, warum bei der Beklagten verarbeitete Daten über Prämienzahlungen des Klägers nicht grundsätzlich Gegenstand des Auskunftsanspruchs sein sollten. Die Korrespondenz der Beklagten mit Dritten kann, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, ebenfalls auf die Person des Klägers bezogene Daten enthalten. Insoweit hat das Berufungsgericht aber unangefochten festgestellt, die Beklagte habe erklärt, dass solche Korrespondenz nicht über die bereits erteilten Auskünfte hinaus geführt worden sei. Mit dieser abschließenden Negativauskunft ist der Auskunftsanspruch des Klägers hinsichtlich dieses Auskunftsgegenstandes erfüllt.
(bb) Interne Vermerke oder interne Kommunikation bei der Beklagten, die Informationen über den Kläger enthalten, kommen als Gegenstand des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO ebenfalls grundsätzlich in Betracht.
5. Seite 13
Dies ist beispielsweise entsprechend bei Vermerken der Fall, die festhalten, wie sich der Kläger telefonisch oder in persönlichen Gesprächen geäußert hat (vgl. ...). Auch Vermerke über den Gesundheitszustand des Klägers enthalten personenbezogene Daten. Die Erwägung des Berufungsgerichts, es handele sich bei Vermerken um "interne Vorgänge der Beklagten", ist im Hinblick auf den Begriff der personenbezogenen Daten ohne Relevanz. Der Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO setzt offensichtlich weder nach seinem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck voraus, dass die fraglichen Daten extern zugänglich sind. Soweit der Kläger Auskunft über die internen Bewertungen der Beklagten zu den Ansprüchen des Klägers aus der streitgegenständlichen Versicherungspolice verlangt, ist allerdings zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union rechtliche Analysen zwar personenbezogene Daten enthalten können, die auf der Grundlage dieser personenbezogenen Daten vorgenommene Beurteilung der Rechtslage selbst aber keine Information über den Betroffenen und damit kein personenbezogenes Datum darstellt (vgl. ...). Daten über Provisionszahlungen der Beklagten an Dritte haben nach den vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Kriterien ebenfalls keinen Bezug zur Person des Klägers. Sein nach dem Vorbringen der Revision auch hierauf gerichtetes Auskunftsbegehren kann der Kläger daher nicht auf die DS-GVO stützen.
Anmerkung
Zu Beginn haben wir - vor allem für die praktische Organisation - bereits auf die Negativauskunft aufmerksam gemacht. Zu ihr führt das Urteil zu Beginn auf:
Erfüllt im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB ist ein Auskunftsanspruch grundsätzlich dann, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Wird die Auskunft in dieser Form erteilt, steht ihre etwaige inhaltliche Unrichtigkeit einer Erfüllung nicht entgegen. Der Verdacht, dass die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist, kann einen Anspruch auf Auskunft in weitergehendem Umfang nicht begründen. Wesentlich für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist daher die - gegebenenfalls konkludente - Erklärung des Auskunftsschuldners, dass die Auskunft vollständig ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 2020 - III ZR 136/18, GRUR 2021, 110 Rn. 43 mwN).
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