Bundesgerichtshof Urteil vom 27. 4.2021, Az. VI ZR 166/19, bekannt gegeben heute, 28.06.2021. Hervorhebungen im nachfolgenden Text von uns. Mit einem für die Praxis höchst nützlichen Hinweis auf Prof. Seitz, Der Gegendarstellungsanspruch, lässt sich im entschiedenen Fall das Ergebnis klären: Es fehlt mittlerweile die Aktualität. Vgl. bitte auch die Anmerkung.
Aus dem Tatbestand
Die Klägerin verlangt Unterlassung einer redaktionellen Anmerkung der Beklagten zu einer von der Klägerin gegen die Beklagte erwirkten Gegendarstellung (sogenannter "Redaktionsschwanz").
Die Klägerin ist im Künstlermanagement tätig und vertritt unter anderem J. E. Die Beklagte verlegt die Tageszeitung "Main-Post - Würzburger Neueste Nachrichten" und verantwortet den Internetauftritt www.mainpost.de. In der Printausgabe der Beklagten vom 6. November 2012 und bereits am 5. November 2012 in der Online-Version erschien ein Artikel über J. E., in dem unter anderem berichtet wurde: "A. R. von der Agentur kick.management, die E. vertritt, bestätigt den Aufenthalt der 40-Jährigen in Bad Birkenau: 'Es stimmt, sie war für sechs Wochen in der Betty-Ford-Klinik.'" Nach gerichtlicher Anordnung veröffentlichte die Beklagte eine Gegendarstellung zu diesem Bericht mit der Erwiderung der Klägerin: „Hierzu stellen wir fest: Unser Mitarbeiter hat dies nicht geäußert." Die Gegendarstellung versah die Beklagte mit folgender Anmerkung ihrer Redaktion: „Nach Paragraf 10 Bayerisches Pressegesetz wurden wir zum Abdruck dieser Gegendarstellung verurteilt. Nach Gesetzeslage ist die Redaktion verpflichtet, nicht nur wahre, sondern auch unwahre Gegendarstellungen abzudrucken. Die
Main-Post bleibt bei ihrer Darstellung vom 6. November (bzw. '… vom 5. November' in der Online-Version)."
Die Klägerin ist der Auffassung, die in der redaktionellen Anmerkung enthaltene Tatsachenbehauptung, der Inhalt der Gegendarstellung sei unwahr, und der damit zu Unrecht erhobene Vorwurf der Lüge seien von der Beklagten zu unterlassen. Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen,durch den Zusatz zur Gegendarstellung der Klägerin vom 6. November 2012 veröffentlicht in der Main-Post vom 7. und 11. Dezember 2012 und unter www.mainpost.de am 6. Dezember 2012,
"Nach Gesetzeslage ist die Redaktion verpflichtet, nicht nur wahre, sondern auch unwahre Gegendarstellungen abzudrucken. Die Main-Post
bleibt bei ihrer Darstellung vom 6. November."
den Eindruck zu erwecken oder erwecken zu lassen, die Erwiderung in der Gegendarstellung vom 6. November 2012 sei unwahr.
Aus der rechtlichen Würdigung:
Nach diesen Grundsätzen enthält die angegriffene Äußerung die Behauptung, die in der Gegendarstellung enthaltene Erwiderung der Klägerin ("Hierzu stellen wir fest: Unser Mitarbeiter hat dies nicht geäußert.") sei unwahr. ...Dennoch hat das Berufungsgericht die Beklagte zu Unrecht zur Unterlassung entsprechend dem Klageantrag verurteilt. .. Denn jedenfalls war die Bejahung der für das Bestehen eines Anspruchs entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB erforderlichen Wiederholungsgefahr rechtsfehlerhaft. ...
Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass dann, wenn bereits ein - hier unterstellter - rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen erfolgt ist, eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr besteht (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 14. November 2017 - VI ZR 534/15, ZUM 2018, 440 Rn. 17 mwN). Es hat allerdings nicht hinreichend berücksichtigt, dass diese Vermutung entkräftet werden kann, wobei an die Entkräftung strenge Anforderungen zu stellen sind. Die Widerlegung der tatsächlichen Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr kann ausnahmsweise etwa dann angenommen werden, wenn der Eingriff durch eine einmalige Sondersituation veranlasst war (vgl. Senatsurteil vom 4. Juni 2019 - VI ZR 440/18, VersR 2019, 1375 Rn. 36 mwN). Hiervon ist vorliegend sowohl hinsichtlich der vom Unterlassungsbegehren der Klägerin erfassten Printausgabe der Beklagten als auch hinsichtlich der Online-Version auszugehen.
Es ist nicht festgestellt, dass die Klägerin eine erneute Gegendarstellung - im Wege der Zwangsvollstreckung aus der gerichtlichen Anordnung - von der Beklagten verlangen würde. Sie könnte dies auch nicht mehr. Denn selbst wenn ihr Anspruch nicht bereits durch die erfolgte Veröffentlichung der Gegendarstellung vom 6. November 2012 erfüllt worden wäre, fehlte in dem für die Entscheidung des Streitfalls maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich dem Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz im März 2019, das notwendige
berechtigte Interesse der Klägerin an einer Gegendarstellung wegen Überschreitens der Aktualitätsgrenze (vgl. Seitz, Der Gegendarstellungsanspruch, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 211). Jegliche Anhaltspunkte für ein Interesse der Beklagten an einer erneuten Veröffentlichung der Gegendarstellung in der Printausgabe der Main Post fehlen...
Da die Veröffentlichung der Ausgangsmitteilung bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz bereits mehr als sechs Jahre zurücklag, kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung als ausgeschlossen gelten, dass die Gegendarstellung samt Redaktionsschwanz zu diesem Zeitpunkt noch in die aktuelle Onlineausgabe eingestellt oder eine erneute Einstellung zu besorgen war. An der Wiederholungsgefahr fehlt es dann aber wie bei der Printausgabe.
Anmerkung
Der BGH beschränkt sich auf einen besonderen Leitsatz, nämlich: „Zur Wiederholungsgefahr hinsichtlich der Veröffentlichung einer redaktionellen Anmerkung zu einer Gegendarstellung (sogenannter Redaktionsschwanz). So macht er auf ein instruktives Urteil zu einer Themenreihe aufmerksam, ohne etwa durch einen kurzen, wenn auch nützlichen Hinweis auf die fehlende Aktualität abzulenken.
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