EuGH Urteil vom 21. April 2021, Rechtssache T-44/20 Chanel SAS/EUIPO.

Marke 1 Chanel        Chanel 2

Hervorhebungen von uns: Ein Satz aus dem Urteil wird oft in viele weitere Entscheidungen entsprechend passen. Er versteht sich aber für einen Markenrechtler von selbst. Nämlich: „Einander gegenüberstehende Marken müssen für die Beurteilung ihrer Identität oder Ähnlichkeit in derjenigen Form verglichen werden, in der sie eingetragen und angemeldet werden, ungeachtet dessen, ob sie auf dem Markt möglicherweise in gedrehter Ausrichtung verwendet werden.”

Der Fall, wie ihn der EuGH wiedergibt.

Huawei Technologies meldete am 26. September 2017 beim Amt der Europäischen Union für
geistiges Eigentum (EUIPO) eine Bildmarke u. a. für Computerhardware an. Dabei handelt es sich um
folgendes Bildzeichen:

Marke 1 Chanel
Am 28. Dezember 2017 legte Chanel Widerspruch gegen die Eintragung dieser Marke ein, weil die
fragliche Marke Ähnlichkeiten mit ihren eigenen älteren französischen Marken aufweise, die für
Parfümeriewaren, Kosmetika, Modeschmuck, Lederwaren und Bekleidungsstücke eingetragen
seien:

Chanel 2

Mit einer Entscheidung vom 28. November 2019 wies das EUIPO die Beschwerde von Chanel mit der
Begründung zurück, dass keine Ähnlichkeit zwischen der von Huawei angemeldeten Marke und
diesen beiden Marken bestehe, wobei für die zweite deren Bekanntheit geltend gemacht worden
war. Das EUIPO sah keine Verwechslungsgefahr für das Publikum.

Rechtliche Begründung des EuGH

Die von Chanel erhobene Klage ist abzuweisen. 
Einander gegenüberstehende Marken müssen für die Beurteilung ihrer Identität oder Ähnlichkeit in derjenigen Form verglichen werden, in der sie eingetragen und angemeldet werden, ungeachtet dessen, ob sie auf dem Markt
möglicherweise in gedrehter Ausrichtung verwendet werden.

Wenn die Marken bildlich, klanglich und begrifflich gegenüberstellt, ergibt sich: Bei der von Huawei angemeldeten Marke handelt es sich um ein Bildzeichen, das aus einem Kreis besteht, der zwei gekrümmte Linien enthält, die wie zwei schwarze, vertikal und gespiegelt angeordnete Buchstaben „U“ aussehen, wobei sich die Linien so kreuzen und überschneiden, dass sie im Zentrum eine horizontale Ellipse bilden. Dagegen bestehen die beiden Marken von Chanel aus zwei gekrümmten Linien, die wie zwei schwarze, horizontal und gespiegelt angeordnete Buchstaben „C“ aussehen, wobei sich die Linien so kreuzen und überschneiden, dass sie eine vertikale Ellipse bilden; die zweite dieser Marken weist die Besonderheit auf, dass sich diese gekrümmten Linien innerhalb eines Kreises befinden.
Die einander gegenüberstehenden Marken weisen zwar gewisse Ähnlichkeiten, aber auch erhebliche bildliche Unterschiede auf. Bei den Marken von Chanel sind insbesondere die Rundungen der gekrümmten Linien stärker ausgeprägt, die Strichstärke ist breiter, und die Linien sind horizontal ausgerichtet, während die Ausrichtung bei der Marke von Huawei vertikal ist.
Das Gericht kommt daher zu dem Ergebnis, dass sich die Marken unterscheiden.

Anmerkungen


1. Zur Verwechslungsgefahr aus der Sicht des Publikums weist das Gericht im Hinblick auf den auf die erste Marke gestützten Widerspruch von Chanel darauf hin, dass die Unähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen keinesfalls durch die für die Gesamtbeurteilung der Verwechslungsgefahr relevanten sonstigen Umstände ausgeglichen werden kann oder ihr dadurch abgeholfen werden kann, so dass sich eine Prüfung dieser Umstände erübrigt.

Diese Entscheidung lässt sich als Beispiel dafür heranziehen, nehmen wir aufgrund unserer Rechtstatsachen-Erfahrungen an, dass die Digitalität und die rechtsmethodische Einordnung zu schnelleren Entscheidungen mit einfacheren Begründungen führen werden. Nämlich:

Rechtlich entscheidend ist die Auffassung der rechtsrelevanten Kreise. Davon geht auch, wie von uns hervorgehoben, das Urteil des EuGH aus. Wenn es künftig einmal Programme zur Ermittlung der Verkehrsauffassung für Einzelfälle geben wird, dann wird schon frühzeitig bei den Parteien feststehen: keine Verwechslungsgefahr. Wenn aus geschäftspolitischen Gründen oder weil es unverbesserliche Besserwisser gibt, doch „gestritten” wird, erledigt sich das Ganze einfach, schneller und ohne dass große Kosten entstehen.    


2. Das Gericht selbst weist in einem Fußtext darauf hin: Die Unionsmarke und Gemeinschaftsgeschmacksmuster gelten in der gesamten Europäischen Union und bestehen neben den nationalen Marken und Geschmacksmustern. Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster werden beim EUIPO angemeldet. Dessen Entscheidungen können beim Gericht angefochten werden.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
zertifizierte Datenschutzbeauftragte (DSB-TÜV)
Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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