Amtsgericht Hannover Urteil vom 7. Januar 2021, Az. 480 C 8302/20.

Hausordnungen und -änderungen zu beschließen, ist oft schwierig. Es gibt Fälle, bei denen jahrelang um die Hausordnung gerungen wurde. So, wie im entschiedenen Fall eine Hausverwaltung das Problem in Coronazeiten lösen wollte, geht es aber dann doch nicht. Es sollte offenbar eine umstrittene Änderung durchgesetzt werden. Die auf der „Vollmachtsversammlung” gefassten Beschlüsse sind rechtswidrig. Vgl. bitte auch noch zu einem anderen Machtmodell die Anmerkung unten. Hervorhebungen von uns.

Der Fall 

Die Hausverwaltung hat so eingeladen: „Wir laden mit den beiliegenden Unterlagen ordnungsgemäß zu einer Eigentümerversammlung ein, zu der sie aber bitte nicht erscheinen. Sollten Eigentümer/innen erscheinen, wären wir zum sofortigen Abbruch der Veranstaltung gezwungen“. Der Einladung waren Vollmachten für die Verwaltung zur Abstimmung beigefügt. Auf der „Eigentümerversammlung” wurde dann der angefochtene Beschluss gefasst. 

Der Kläger behauptet unter anderem, dieser Beschluss sei wegen Verstoßes gegen sein Teilnahmerecht an der Eigentümerversammlung unwirksam. Eine Diskussion über die Tagesordnungspunkte habe nicht stattgefunden. Der Verwaltungsbeirat habe seine Pflicht gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft verletzt.

Die Hausverwaltung argumentiert: Von der Versammlung sei niemand ausgeschlossen worden, sondern lediglich ein Hinweis erteilt, dass es eine Vollmachtsversammlung geben sollte. Dies sei auch rechtmäßig. Es hätte dem Kläger freigestanden, zur Eigentümerversammlung persönlich zu erscheinen. Dann wäre diese nicht durchgeführt und die Hausordnung nicht geändert worden.

Wie das Gericht die Rechtswidrigkeit begründet:

„Die Beschlussfassung verstößt gegen § 23 Abs. 1 WEG. Danach sind Beschlüsse einer Eigentümerversammlung dann nichtig, wenn sie in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingreifen. Zu diesem Kernbereich gehört das Recht der Wohnungseigentümer, an den Eigentümerversammlungen teilzunehmen.

Bereits durch die Formulierung in dem Einladungsschreiben wurde den Wohnungseigentümern die Teilnahme verwehrt. So werden die Eigentümer ausdrücklich aufgefordert, nicht zu erscheinen. Ein Wahlrecht der Eigentümer, gleichwohl zu erscheinen, eröffnet diese Formulierung nicht. Darüber hinaus ist bereits an dieser Stelle angekündigt, dass die Veranstaltung sofort abgebrochen werden würde, wenn einzelne Eigentümer erscheinen. In der Gesamtschau sind diese Formulierungen als ausdrückliches Verbot zu verstehen. Dies stellt eine Verletzung des Kernbereichs der Rechte der Wohnungseigentümer dar. Den Wohnungseigentümern wurde lediglich ermöglicht, ihr Stimmrecht durch die Erteilung einer Vollmacht mit Anweisungen auszuüben, dabei könnte eine Auseinandersetzung über die zu beschließenden Änderungen und eine Diskussion hierüber nicht stattfinden. Die Auseinandersetzung und Diskussion ist wesentlicher Bestandteil der Eigentümerversammlung im Rahmen der Willensbildung.

Anmerkung

Ein ähnliches Modell ist in der Praxis, wenn auch vielleicht rechtmäßig: Der Hausverwalter kommt intensiv den Wünschen der Beiräte nach. Er erhält von Investoren oder weniger interessierten Eigentümern Vollmachten und verfügt so über die Mehrheit der Stimmen. So kann er in Freiheit schalten und walten oder nicht, wie er leben mag. 

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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