Bundesgerichtshof Urteil vom 27.11.2020, Az. V ZR 71/20. Hervorhebungen von uns. Leitsätze:

a) Dem Nießbraucher von Wohnungseigentum steht die Befugnis zur Anfechtung eines von den Wohnungseigentümern gefassten Beschlusses nicht zu (Bestätigung von Senat, Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 194/14).
b) Erhebt ein Dritter (hier: Nießbraucher), der von dem Wohnungseigentümer hierzu ermächtigt worden ist, Beschlussanfechtungsklage, ist diese zwar zulässig, wenn die Voraussetzungen der Prozessstandschaft im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung objektiv vorliegen und vorgetragen sind. Begründet kann sie - vorbehaltlich etwaiger Nichtigkeitsgründe - aber nur sein, wenn die Ermächtigung zur Prozessführung bereits innerhalb der Klagefrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 WEG objektiv vorliegt und offengelegt wird oder offensichtlich ist.

Anmerkung

Erneut geht es zum Wochenende wiederum um das Recht in Garten und Nachbarschaft. Wir führen dieses Urteil des BGH auf, auch wenn es nicht fortlaufend Bedeutung gewinnt, weil es zum Nießbrauch und zur Prozessstandschaft „ein Muss” ist. Wer mit diesen beiden Rechtsinstituten einmal zu tun hat, muss beherrschen, was der BGH in dieser Entscheidung ausführt. Wie beim V. Zivilsenat üblich, macht er sein Urteil durch eine eingehende Darstellung des Sinn und Zwecks der WEG-Regelungen vollauf verständlich. So führt das Urteil insbesindere aus:

Es ist allgemein anerkannt, dass die Wirkungen der gewillkürten Prozessstandschaft erst in dem Augenblick eintreten, in dem sie prozessual offengelegt wird oder offensichtlich ist. Dies hat der Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden, so etwa für die Hemmung der Verjährung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 1972 - I ZR 75/71, NJW 1972, 1580; Urteil vom 3. Juli 1980 - IVa ZR 38/80, BGHZ 78, 1, 6; Urteil vom 21. März 1985 - VII ZR 148/83, BGHZ 94, 117, 122; Urteil vom 12. Dezember 2013 - III ZR 102/12, ZLR 2014, 162 Rn. 36 mwN), aber auch für Klagefristen, die materiell-rechtlich zum Verlust des Rechts führen, wie etwa zu Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB (vgl. Senat, Urteil vom 6. Juni 2003 - V ZR 320/02, WM 2003, 1974, 1975; Urteil vom 27. September 2013 - V ZR 43/12, NJOZ 2014, 1101 Rn. 23) oder zur Ausschlussfrist nach § 12 Abs. 3 VVG aF (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 1993 - IV ZR 267/91, NJW-RR 1993, 669).

Die Offenlegung der Prozessstandschaft ist zur Klarstellung des Prozessrechtsverhältnisses erforderlich. Nur wenn der Gegner weiß, dass der Kläger für sich in Anspruch nimmt, ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend machen zu können, kann er die behauptete Ermächtigung bestreiten oder auch das Rechtsschutzinteresse des Klägers in Frage stellen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 1972 - I ZR 75/71, NJW 1972, 1580; Urteil vom 7. Juli 2008 - II ZR 26/07, NZI 2008, 561 Rn. 14). Zudem erstreckt sich bei der gewillkürten Prozessstandschaft die Rechtskraft des auf die Klage des Ermächtigten ergehenden Urteils auf den Ermächtigenden nur, wenn sich der Ermächtigte im Rechtsstreit auf die Ermächtigung gestützt hat (vgl. Senat, Urteil vom 28. Juni 1985 - V ZR 43/84, NJW 1985, 2825; BGH, Urteil vom 30. Mai 1972 - I ZR 75/71, aaO; Urteil vom 7. Juli 2008 - II ZR 26/07, aaO).

Dies alles gilt gleichermaßen für die Beschlussanfechtungsklage im Wohnungseigentumsrecht.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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