Schweizerisches Bundesgericht Entscheid vom 28.12.2020, Az.: 4A_267/2020..Hervorhebungen von uns.
Die Entscheidung ist umfangreich und instruktiv begründet. Das beklagte deutsche Unternehmen scheiterte insbesondere mit seinen Einwänden, die Klägerin (und Beschwerdegegnerin) habe durch einen neuen visuellen Auftritt die Klagemarke endgültig aufgegeben und nicht gebraucht. Außerdem habe die Klägerin durch eine dreijährige Duldung des Auftritts des deutschen Unternehmens einen etwaigen Anspruch verwirkt. Nebenbei blieb die unterlegene deutsche Firma mit ihrem Einwand gegen eine repräsentative Umfrage erfolglos.
Zum Sachverhalt, wie ihn das BGer schildert
Die A.________ Genossenschaft (Klägerin, Beschwerdegegnerin) ist eine [bedeutende] Genossenschaft mit Sitz in U.________. Sie betreibt als Kerngeschäft den "Einzelhandel sowie weitere Aktivitäten einschließlich der vorgelagerten Stufen und erforderlichen Dienstleistungen". Sie ist eine Tochtergesellschaft der A.________-Gruppe Genossenschaft.
Unter dem Zeichen "Lumimart" führt sie Fachmärkte für Leuchten. In diesen werden Pendel-, Steh-, Wand-, Decken-, Tisch- und Büroleuchten, Spots sowie Leuchtmittel für den Innen- und Aussenbereich verkauft. Diese Produkte werden auch in einem Webshop angeboten, der über die Internet-Domain "www.lumimart.ch" abrufbar ist.
Die A.________ Genossenschaft (beziehungsweise ihre Rechtsvorgängerinnen) verwendet das Zeichen "Lumimart" seit 1998, zusammen mit dem Logo:
Seit September 2018 werden die Fachmärkte und der Webshop mit geändertem Logo gekennzeichnet:
Die Luminarte GmbH (Beklagte, Beschwerdeführerin) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutschen Rechts mit Sitz in Lauchringen (Deutschland). Sie wurde im Jahr 2012 gegründet und bezweckt im Wesentlichen den Handel mit Beleuchtungskörpern, Leuchtmitteln und entsprechendem Zubehör.
Sie tritt unter den beiden Internet-Domains "www.luminarte.de" und "www.luminarte.ch" auf, über die sie einen Webshop für Lampen, Leuchten, Beleuchtungskörper, Beleuchtungsgeräte, Leuchtmittel und ähnliche Waren betreibt. Die Internet-Domain www.luminarte.ch wird auf die Internet-Domain www.luminarte.de weitergeleitet.
Die Luminarte GmbH ist Inhaberin der beiden unter den Nr. 654460 und 700373 registrierten und gleichlautenden Wortmarken "Luminarte" [die Marke 700373 ist nicht Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens]. Die Marke Nr. 654460 ist seit dem 7. Februar 2014 im schweizerischen Markenregister eingetragen (Prioritätsanspruch der deutschen Markenanmeldung: 9. Februar 2013) und beansprucht Schutz für Waren der Klasse 9, nämlich für:
"Dimmer (Lichtregler); Vorschaltgeräte für Leuchten; elektronische Regelgerä te für Beleuchtung; Leuchtdioden (LEDs)."
Ausserdem ist sie für folgende Waren der Klasse 11 registriert: ...
Die Luminarte GmbH tritt unter den beiden Internet-Domains "www.luminarte.de" und "www.luminarte.ch" auf, über die sie einen Webshop für Lampen, Leuchten, Beleuchtungskörper, Beleuchtungsgeräte, Leuchtmittel und ähnliche Waren betreibt. Die Internet-Domain www.luminarte.ch wird auf die Internet-Domain www.luminarte.de weitergeleitet. In Laichringen betreibt sie zudem eine Lokalität, wie es im Entscheid heißt. Auf ihren Webseiten und in Werbeunterlagen verwendet sie auch dieses Logo:
.Zitate aus der einigenden umfangreichen Begründung mit einer Reihe allgemein verwertbarer grundsätzlicher Aussagen sowie wenigen Anmerkungen ergänzen wir; insbesondere zu der von der Klägerin vorgelegten repräsentativen Umfrage.
Nach welcher Dauer des Duldens die Verwirkung anzunehmen ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Die Rechtsprechung im Zeichenrecht schwankt zwischen vier bis acht Jahren (vgl. Urteile 4A_91/2020 vom 17. Juli 2020 E. 4.3; 4A_630/2018 vom 17. Juni 2019 E. 3.2; 4A_257/2014 vom 29. September 2014 E. 6.3; 4C.76/2005 vom 30. Juni 2005 E. 3.2, nicht publiziert in: BGE 131 III 581). In zwei besonders gelagerten Fällen wurde eine Verwirkung nach einer Zeitdauer von eineinhalb beziehungsweise zwei Jahren bejaht (Urteile 4C.371/2005 vom 2. März 2006 E. 3.3; 4C.125/1997 vom 21. Oktober 1997, in: JdT 1998, S. 347, E. 2b). Der Zeitablauf ist allerdings nicht allein massgebend. Entscheidend ist, ob der Verletzer bei vernünftiger und objektiver Betrachtung ausnahmsweise davon ausgehen durfte, dass der Berechtigte sein Verhalten dulde (siehe einlässlich Urteile 4A_257/2014 vom 29. September 2014 E. 6.3; 4C.371/2005 vom 2. März 2006 E. 3.1). Dass solch besondere Umstände vorliegend bereits nach einer Dauer von drei Jahren gegeben wären, ist den Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Dabei fällt namentlich ins Gewicht, dass dem Berechtigten eine vernünftige Zeitspanne verbleiben muss, um die Rechtslage, die Bedeutung der Markenrechtsverletzung sowie die Nachteile, die ihm aus einer allfälligen Verwechslungsgefahr entstehen, abzuklären und auf dieser Grundlage sorgfältig über die Einleitung rechtlicher Schritte zu entscheiden (siehe BGE 109 II 338 E. 2a S. 341; KILLIAS/DE SELLIERS, in: Commentaire romand, Propriété intellectuelle, 2013, N. 19 zu Art. 52 MSchG). Ein offenbarer Missbrauch des Rechts, wie dies Art. 2 Abs. 2 ZGB voraussetzt, liegt auch vor diesem Hintergrund nicht vor.
Das Bundesgericht hebt darüber hinaus hervor: Der Verletzer darf nich davon ausgehen, dass der Berechtigte sämtliche Bewegungen im Markt überwacht; das schweizerische Recht kennt im Grundsatz keine Überwachungsobliegenheit.
Für Markenrechtsexperten ist bemerkenswert, dass die im Markenrecht versierte Klägerin (und Beschwerdegegnerin) eine repräsentative Umfrage vorgelegt und das Bundesgericht dagegen prinzipiell (selbstverständlich) nichts eingewandt hat. Es ging nur noch um das „Studiendesign”. Nämlich:
"Soweit sich die [unterlegene] Beschwerdeführerin an der demoskopischen Befragung stört, welche die Beschwerdegegnerin [Klägerin] durchführen liess, ist immerhin was folgt zu bemerken:
Die Beschwerdeführerin meint, diese Befragung stelle eine blosse Parteibehauptung dar. Das Handelsgericht habe diese Umfrage dennoch in Verletzung von Art. 168 Abs. 1 ZPO und Art. 8 ZGB (sowie von Art. 2 lit. a MSchG) "als Beweismittel" gewürdigt. Damit geht sie an der Argumentation der Vorinstanz vorbei. Diese kam unter Beachtung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Beweismittelcharakter von Privatgutachten (BGE 141 III 433 E. 2.6) zum Ergebnis, dass die durch Werbeanstrengungen nachgewiesene gesteigerte Bekanntheit der fraglichen Marke durch die Marktbefragung jedenfalls "nicht umgestossen" werde. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, inwiefern das Handelsgericht der demoskopischen Umfrage eine zivilprozessual unrichtige beweisrechtliche Bedeutung zugemessen hat, zumal es gewisse Mängel der Marktbefragung - namentlich ein unrichtiges "Studiendesign" - ausdrücklich berücksichtigte."
Anmerkung zur (grundsätzlich anerkannten) beweisrechtlichen Bedeutung der repräsentativen Umfrage. Auch wenn Gerichte zu Einzelheiten einer Umfrage Bedenken haben, wirken sich Befragungsergebnisse oft - aus sehr guten Gründen - aus. Das Musterbeispiel ist ein Urteil des Oberlandesgerichts München mit Prof. Seitz als Vorsitzendem des Senats. Das LG München I hatte eine Irreführung bejaht. Der beklagte Verlag ließ zwischen beiden Instanzen repräsentativ befragen. Prof. Dr. Seitz äußerte einerseits Bedenken gegen Details der Studie. Andererseits war ihm klar, dass sich die Auffassung des Landgerichts so nicht halten ließ. Er fragte den anwaltlichen Vertreter der klagenden und beweispflichtigen Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, ob er die gerichtliche Einholung eines Gutachtens zur Verkehrsauffassung beantrage. Der Vertreter verneinte (wohl aufgrund von Erfahrungen). Das Oberlandesgericht gab der Berufung des Verlags statt und hob das Urteil des LG München I mangels hinreichenden Beweises auf.
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