Verwaltungsgericht Mainz, Urteil vom 24.02.2021; - 3 K 191/20.MZ -
Noch zum Wochenende ein Urteil zum Recht in Garten und Nachbarschaft. Im entschiedenen Fall muss der Eigentümer dulden, dass Niederschlagswasser auf sein Grundstück läuft. Wesentliche Aspekte hier: keine wesentlicher Beeinträchtigung und gewisses Mitverschulden. In diesem Rahmen muss abgewogen werden. Inhaltlich schließt dieses Urteil an unser Buch "Recht in Garten und Nachbarschaft, 3. Aufl. an: "Schäden durch fremde Einwirkungen, wie durch Sturm und Regen, durch Tiere oder Vertiefung des Nachbargrundstücks, Seiten 189 ff., sowie: Wasser auf Seiten 233 ff.

Als Leitsatz kann man formulieren:

Bei nur unwesentlicher Beeinträchtigung durch von der öffentlichen Straße auf ein Grundstück abfließendes Oberflächenwasser ist der Straßen­baulast­träger nicht zur Folgenbeseitigung verpflichtet.

Die Ausgangsbasis.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anpassung des öffentlichen Gehwegs vor seinem Nachbargrundstück durch geeignete Maßnahmen, um den Ablauf von zusätzlichem Oberflächenwasser über sein Grundstück zu vermeiden.

Die rechtlichen Ausführungen, die auch den zuvor im Urteil dargestellten wesentlichen Teil des Sachverhalts wiedergeben.

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch. Danach ist der Träger vollziehender Gewalt zur Folgenbeseitigung verpflichtet, wenn durch hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist (vgl. (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Juli 1984 – 3 C 81.82  und vom 26. August 1993 – 4 C 24.91). Der Anspruch ist auf Wiederherstellung des (rechtmäßigen) Zustands gerichtet, der im Zeitpunkt des Eingriffs bestand (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2015 – 7 B 14.15 –, juris Rn. 8; VG Mainz, Urteil vom 12. Juli 2017 – 3 K 1243/13.MZ –). Diese Voraussetzungen sind im entschiedenen Fall nicht erfüllt. ...Maßstab

Die Beeinträchtigung dieser Rechtsposition muss aber wesentlich sein, wobei  für die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung das Empfinden eines verständigen, das Allgemeininteresse berücksichtigenden Durchschnittsbenutzers des betroffenen Grundstücks in seiner durch Natur, Gestaltung und Zweckbestimmung geprägten konkreten Beschaffenheit und nicht das subjektive Empfinden des Gestörten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 1988 – 7 C 33.87 –; BGH, Urteil vom 30. Oktober 1998 – V ZR 64.98).
Vor diesem Hintergrund ist die Beeinträchtigung des Klägers nicht wesentlich. Zwar läuft infolge des Anschlusses des Gehwegs im Bereich des Anwesens XXX 7 mehr Oberflächenwasser von diesem Gehweg über den Gehweg vor dem Grundstück des Klägers und damit auch über sein Grundstück ab. Dabei handelt es sich jedoch um Wasser einer Gehwegsfläche von maximal 3 m2. Dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, anders als in der Klageschrift beschrieben handele es sich um eine ca. 6 m2 große Fläche, von der zusätzliches Wasser über seinen Gehweg und sein Grundstück abfließe, überzeugt nicht: Ausweislich der vorgelegten Lichtbilder verläuft der Gehweg vor dem Anwesen XXX 7 nahezu eben, also nicht mit in einem sichtbaren Gefälle zu dem Gehweg vor dem Anwesen des Klägers. Außerdem hat die Beklagte überzeugend dargelegt, dass der Gehweg im Übergangsbereich zwischen dem Anwesen XXX 7 und dem klägerischen Grundstück nur in einem kleinen Bereich – mithin auf maximal 3 m2 – so gestaltet ist, dass das Wasser auf den Gehweg vor dem klägerischen Grundstück abfließt. Das ergibt sich auch aus dem von der Beklagten vorgelegten Höhenplan, den die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung einsehen konnten. Hinzu kommt, dass die Straße XXX von Süden nach Norden eine Neigung von ca. 2,5 % aufweist und gleichzeitig von Westen nach Osten abfällt. Angesichts dieses Verlaufs der Straße ist nicht ersichtlich, warum nach Meinung des Klägers bei Starkregenereignissen damit zu rechnen sei, dass nicht nur das Wasser des Gehwegs, sondern auch zusätzliches Wasser von der Straße über sein Grundstück abfließt. Der Kläger hat dies auch nicht etwa durch die Vorlage von Lichtbildern plausibilisiert. Infolge des Verlaufs der Straße ist vielmehr damit zu rechnen, dass das Oberflächenwasser der Straße auf die dem klägerischen Grundstück gegenüberliegende Straßenseite abfließt und dort – wie vorgesehen – in die der Versickerung dienenden Grünflächen abläuft. Überchwemmungsgefahren für das klägerische Grundstück dürften sich insofern vielmehr – worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat – aus dem hohen Versiegelungsgrad seines Grundstücks ergeben, nicht jedoch aus dem minimalen Anteil zusätzlichen Oberflächenwassers von maximal 3 l/min, das von dem Gehweg des Anwesens XXX 7 zunächst über den Gehweg vor und dann über das Grundstück des Klägers abfließt. Dabei ist schließlich in den Blick zu nehmen, dass die Bebauung auf dem Grundstück des Klägers von der Straße zurückversetzt ist, mithin nicht unmittelbar an den Gehweg anschließt und damit nicht unmittelbar von dem Wasserabfluss betroffen ist.
Darüber hinaus trifft den Kläger hier auch ein mitwirkendes Verschulden, weil er mit dem Anschluss seines Grundstücks an die Erschließungsstraße bereits im ersten Bauabschnitt im Jahr 1998 die Ursache dafür gesetzt hat, dass der Gehweg vor dem Anwesen XXX 7 im Rahmen des Endausbaus auf die Höhe des vor dem Grundstück des Klägers bereits vorhandenen (XXX 5) herangeführt werden musste. Ausgehend von dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass das Mitverschulden des Betroffenen an der Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustands zu berücksichtigen ist, liegt im Mitverschulden des Betroffenen im Sinne des § 254 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – ein den Folgenbeseitigungsanspruch begrenzender Umstand (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. April 1989 – 4 C 34.88 –, a.a.O. Rn. 10; und vom 25. August 1971 – IV C 23.69 –, DVBl. 1971, 858 = juris Rn. 21 ff.). Liegt – wie hier – die Verantwortung für den rechtswidrigen Zustand überwiegend bei dem Betroffenen, kommt ein gänzlicher Ausschluss des Anspruches auf Folgenbeseitigung in Betracht. In diesem Fall ist ein vollkommener Ausschluss des Anspruchs jedoch nur dann zu billigen, wenn sich seine Verwirklichung als unzulässige Rechtsausübung darstellt, weil insoweit die Rechtsordnung einen Verstoß gegen Treu und Glauben nicht erlaubt (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Januar 1974 – 4 C 2.72 –, BVerwGE 44, 294; vom 6. September 1988 – 4 C 26.88 –, DVBl. 1989, 44; und vom 14. April 1989 – 4 C 34.88 –, a.a.O. Rn. 21). Hier ist zu berücksichtigen, dass der Kläger – wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargetan hat – mit seinem Wunsch der Erschließung seines Grundstücks durch die Straße „XXX“ bereits im Jahr 1998 den ausschließlichen Grund dafür gesetzt hat, dass der Gehweg im Bereich seines Grundstücks höher als dieses liegt es infolgedessen notwendig war, auch den Gehweg vor dem Anwesen XXX 7 auf dieser Höhe anzuschließen. Andernfalls wäre das Grundstück des lägers ebenfalls erst im Zuge des zweiten Bauabschnitts durch die Straße „XXX“ erschlossen worden. Dann hätte der Umstand, dass die Straße höher als das Grundstück des Klägers liegt, bei der Gehweggestaltung insgesamt berücksichtigt oder ggf. die Höhe des Grundstücks des Klägers auf Straßenniveau angepasst werden können. Indem der Kläger bereits 1998 auf seinen Wunsch an die Straße „XXX“ angeschlossen wurde, war dies nicht mehr möglich.

Anmerkung

Es kann nicht überraschen, dass - wie meist - auf die Verkehrsauffassung abzustellen ist. Vgl. dazu schon zu Beginn bei den Beratungsfeldern "Verkehrsauffassungs-Recht". Man stößt damit wiederum auf die Schwäche, dass niemand sicher sagen kann, wie der "Durchschnitts .." auffasst. Hier in diesem Urteil führt das Gericht insbesondere aus, wie zitiert: Für die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung ist das Empfinden eines verständigen, das Allgemeininteresse berücksichtigenden Durchschnittsbenutzers des betroffenen Grundstücks in seiner durch Natur, Gestaltung und Zweckbestimmung geprägten konkreten Beschaffenheit und nicht das subjektive Empfinden des Gestörten ist. Ganz neu und,soweit ersichtlich erstmalig ist, dass ein Urteil erweiternd in die Definition einbezieht: „das Allgemeinunteresse berücksichtigenden Durchschnitsbenutzer des betroffenen Grundstücks in seiner durch Natur, Gestaltung und Zweckbestimmung geprägten konkreten Beschaffenheit”.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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