Amtsgericht Berlin-Tempelhof Kreuzberg Urteil 24.9.2020, Az. 18 C 336/19.

Die Klägerin kann gegen die Beklagte beanspruchen, ein Katzennetz an ihrem Balkon anzubringen; BGB § 535 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Dauernutzungsvertrag vom 12.06.2015.

Leitsätze

1. Das Halten einer Katze in der Wohnung zählt unzweifelhaft zum bestimmungsgemäßen Gebrauch.
2. Dabei ist zu beachten, dass das Betreten des Balkons der artgerechten Haltung einer Katze zumindest näherkommt als das ausschließliche Halten in der Wohnung. Daher zählt auch das Anbringen eines Netzes, mit dem es der Katze ermöglicht wird, an die frische Luft zu gelangen, ohne die Nachbarn zu stören oder Singvögel zu jagen, zu diesem genehmigungsfreien Gebrauch, jedenfalls dann, wenn das Netz ohne Eingriff in die Substanz des Hauses montiert wird und durch das Netz keine erhebliche optische Beeinträchtigung der Fassade gegeben ist.
3. Von einer zusätzlichen optischen Beeinträchtigung ist dann nicht auszugehen, wenn schon andere Mieter der Wohnanlage (hier: 11) ein Katzennetz montiert haben und der Vermieter dies jahrelang geduldet hat.

Aus dem Urteil
Das Halten einer Katze in der Wohnung ist bereits nach Nummer VII (22, 24) des Dauernutzungsvertrages gestattet und zählt unzweifelhaft zum bestimmungsgemäßen Gebrauch. Auch das Anbringen eines Netzes, mit dem es der Katze ermöglicht wird, an die frische Luft zu gelangen, ohne die Nachbarn zu stören oder Singvögel zu jagen, zählt zu diesem genehmigungsfreien Gebrauch. Zwar ist nach Nr. 7 i) der dem Vertrag beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen die vorherige schriftliche Zustimmung erforderlich für Anbauten sowie Installationen, weshalb der Klägerin durch das Schreiben der Beklagten vom 06.03.2019 die Anbringung eines Katzennetzes untersagt wurde. Da das streitgegenständliche Netz jedoch unstreitig ohne Eingriff in die Substanz des Hauses montiert werden soll und zusätzlich (ebenso unstreitig) an weiteren 11 Balkonen Netze vorhanden sind, ist auch keine erhebliche optische Beeinträchtigung gegeben, mithin keine zustimmungspflichtige bauliche Veränderung. Der Beklagten kann nicht in ihrer Auffassung gefolgt werden, der Umstand, dass die anderen Netze ohne Zustimmung angebaut worden seien, so dass nunmehr deren Beseitigung verlangt werde, führe dazu, dass auch der Klägerin die Anbringung nicht gestattet werden müsse. Die Beklagte hat vielmehr über einen längeren Zeitraum die Netze an 11 anderen Balkonen geduldet und damit ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, dass die Katzennetze zum bestimmungsgemäßen Gebrauch der Mietsache zählen. Auch ist zu beachten, dass das Betreten des Balkons der artgerechten Haltung einer Katze zumindest näher kommt als das ausschließliche Halten in der Wohnung.

Anmerkungen

Aus gutem Grunde hat das Urteil angemerkt: „Die Berufung gegen das Urteil war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder eine grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.” Es gibt zwar Urteile mit einem anderen Ergebnis. Die Urteile weichen jedoch regelmäßig im Sachverhalt voneinender ab.

Weitere Urteile sind beispielsweise: 

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 09.03.1998 - 3 W 44–98, BayObLG, Beschluss vom 03.04.2003 - 2Z BR 38/03. Das OLG Zweibrücken stellt heraus, worauf es vielen ankommen wird:

Das einheitliche und harmonische Bild der Fassade wird für den Betrachter deutlich erkennbar und störend unterbrochen. Bei der Gestaltung einer Gebäudefassade gelten insoweit besonders strenge Anforderungen (vgl. BayObLG, MDR 1986, MDR Jahr 1986 Seite 853; NJW-RR 1991, NJW-RR Jahr 1991 Seite 722 [NJW-RR Jahr 1991 Seite
723]). So sind z.B. in der Rechtsprechung ästhetische Beeinträchtigungen bzw. Verschlechterungen des optischen Erscheinungsbilds durch ca. 15cm vorstehende Rolladenkästen (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, NJW-RR Jahr 1995 Seite 1418), eine Ladenmarkise (KG, NJW-RR 1995, NJW-RR Jahr 1995 Seite 587) oder Balkonmarkise (BayObLG, NJW-RR 1996, NJW-RR Jahr 1996 Seite 266) anerkannt. Zu Recht hat das LG darauf hingewiesen, daß im Falle der Zulässigkeit des Katzennetzes auch anderen Vögel, Katzen, Hunde oder sonstige Tiere haltenden Wohnungseigentümern das Anbringen unterschiedlichster Netze (bei Vogelhaltung z.B. sehr engmaschig) gestattet werden müßte und infolgedessen nicht auszuschließen wäre, daß eine Vielzahl von Balkonen in unschöner Weise - fast an eine Baustelle erinnernd - zugehängt wären.

Es muss, wenn die Teilungserklärung oder Anderes verbindlich nichts festlegen, wie so oft zwischen den Interessen abgewogen werden. Das Urteil des Amtsgerichts Berlin-Tempelhof veranschaulicht, dass es bei der Abwägung in vielen Fällen auf den Ist-Zustand ankommen wird.  

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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