Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 24. 2. 2021, also gestern, Az. 1 StE 3/21.
Das sogenannte Weltrechtsprinzip erlaubt die weltweite Verfolgung von Straftaten, unabhängig vom Tatort und unabhängig von den Staatsangehörigkeiten des Täters und des Opfers. Auch sonst bedarf es keines speziellen Bezugs zu Deutschland. Es dient unter anderem der strafrechtlichen Verteidigung der gemeinsamen Wertegrundlage der Menschheit. Das Weltrechtsprinzip ist in § 1 Satz 1 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) aufgenommen worden. Das Urteil des OLG Koblenz betrifft den ersten Prozess um Mord und Folter durch den syrischen Staat.
Das Gericht verurteilte den Mitangeklagten Eyad A. wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form von Folter und schwerwiegender Freiheitsberaubung zu viereinhalb Jahren Haft. Das Urteil habe für viele Menschen nicht nur in Syrien eine hohe symbolische Bedeutung, kommentierte der deutsche Bundesaußenminister.
Anmerkungen
1. Besonders interessant: In einer Pressemitteilung führt das Gericht an, dass folgende Rechtsnormen berücksichtigt wurden:
§ 1 Satz 1 VStGB
Dieses Gesetz gilt für alle in ihm bezeichneten Straftaten gegen das Völkerrecht, für Taten nach den §§ 6 bis 12 auch dann, wenn die Tat im Ausland begangen wurde und keinen Bezug zum Inland aufweist.
§ 7 V StGB Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Abs. 1
Wer im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung
…
5. einen Menschen, der sich in seinem Gewahrsam oder in sonstiger Weise unter seiner Kontrolle befindet, foltert, indem er ihm erhebliche körperliche oder seelische Schäden oder Leiden zufügt, die nicht lediglich Folge völkerrechtlich zulässiger Sanktionen sind,
…
9. einen Menschen unter Verstoß gegen eine allgemeine Regel des Völkerrechts in schwerwiegender Weise der körperlichen Freiheit beraubt
…..
wird … in den Fällen der Nummern 3 bis 7 mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren und in den Fällen der Nummern 8 bis 10 mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.
Abs. 2
In minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 7 Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren und in minder schweren Fällen des Absatzes 1 Nr. 8 und 9 Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.
§ 27 StGB Beihilfe
Abs. 1
Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.
§ 35 StGB Entschuldigender Notstand
Abs. 1 Satz 1
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld.
§ 46b StGB Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten
Abs. 1
Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,
1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, …
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern …
§ 49 StGB Besondere gesetzliche Milderungsgründe
Abs. 1
Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
…
2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3. Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate.
P.S. Soeben stellen wir fest, dass Prof. Christoph Safferling am 24.2.2021 in der LTO zu diesem "historischen" Urteil unter anderem kommentiert hat:
"Im momentan kritischen Zustand der Internationalen Strafjustiz ruhen die Hoffnungen auf Gerechtigkeit für die Opfer von Systemverbrechen auf den nationalen Strafverfolgungsbehörden und damit in Deutschland vor allem auf dem Generalbundesanwalt. Dass dort diese Aufgabe ernst genommen wird, ist lobenswert. Deutschland ist kein sicherer Hafen für Folterknechte und Kriegsverbrecher. Je mehr Staaten diese Aufgabe ähnlich ernst nehmen, desto deutlicher die Botschaft: Keine Straflosigkeit für Menschlichkeitsverbrechen."
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