Recht in Garten und Nachbarschaft zum Wochenende: Bundesgerichtshof Urteil vom 20. November 2020, Az. V ZR 64/20. Das Wohnungseigentumsgesetz kennt vor allem drei Stimmrechtsprinzipien. Neben dem - diesem Urteil zugrundeliegenden - Kopfstimmenprinzip stehen das Wertprinzip (nach der Höhe der Miteigentumsanteile) und das Objektprinzip (Anzahl Sondereigentumsanteile). Nach § 25 Abs. 2 WEG n.F. gilt nach wie vor das Kopfstimmrecht, wenn nicht - wie meist - etwas Anderes vereinbart ist.

Dieses neue Urteil bildet - wie etwa das Sondernutzungsrecht - ein Beispiel dafür, dass es auch mit zwei „hochkarätigen” (so mit Recht A. Blankenstein) Teams oder Gruppen nicht gelungen ist, die durch die Praxis und die Rechtsprechung vorgegebene Kompliziertheit des WEG durch die WEG-Reform 2020 für Wohnungseigentümer weitreichend zu vereinfachen. Herausragender Leuchtturm wird weiterhin neben den vielen Experten in Justiz und Schrifttum der V. Zivilsenat des BGH sein, dem wir dieses neue Urteil verdanken. Es gilt gleichermaßen für das  bisherige wie für das novellierte Gesetz. Der nun bereits umgesetzte Beschluss, das Bayerische Oberste Landesgericht fortzuführen, wird erfahrungsgemäß fruchten.

Leitsatz     

Wenn mehrere Wohnungen nur teilweise identischen Miteigentümern gehören oder wenn der Miteigentümer einer Wohnung zugleich Alleineigentümer einer anderen Wohnung ist, haben die Eigentümer jeder Wohnung bei Geltung des Kopfstimmprinzips je eine Stimme. Das Kopfstimmprinzip eines Wohnungseigentümers entfällt nicht, wenn er Miteigentümer einer anderen Wohnung wird oder bleibt. Das gilt auch, wenn er Mehrheitseigentümer anderer Wohnungen ist oder wird. 

Das Instruktivste aus dem Urteil zum Kopfstimmenprinzip

Der Zweck der Vorschrift. Der Gesetzgeber hat sich zwar mit § 25 Abs. 2 WEG gegen die Übernahme der funktionell entsprechenden Regelung im Recht der Gemeinschaft entschieden (vgl. Fraktionsentwurf in BT-Drucks. I/252 ohne entsprechende Regelung gegenüber Regierungsentwurf in BR-Drucks. 75/51 und Beschlussempfehlung in BT-Drucks. I/1802 mit entsprechender Regelung). Während dort nach § 745 Abs. 1 Satz 2 BGB die Stimmkraft von der Größe des - allerdings nach § 742 BGB regelmäßig gleichen - Anteils abhängig sein soll, soll im Wohnungseigentumsrecht das Kopfstimmrecht gelten und jeder Wohnungseigentümer eine Stimme haben. Damit entkoppelt das Wohnungseigentumsgesetz die Stimmkraft von der Größe und der wirtschaftlichen Bedeutung des Anteils (vgl. Staudinger/ Häublein, BGB [2018], § 25 WEG Rn. 27). § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG stellt damit vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen oder Regelungen sicher, dass ein einzelner Wohnungseigentümer nicht von vornherein ein Übergewicht oder die absolute Mehrheit der Stimmen hat. Der damit bezweckte Majorisierungsschutz (so der Kommentar der „Referenten“ in Bundesregierung und Bundestag Weitnauer/Wirths, WEG, 1. Aufl., § 25 Anm. 2) ist aber nach dem Konzept der Vorschrift begrenzt. Er hindert einen Wohnungseigentümer, dem mehrere Wohnungen gehören, wie ausgeführt, nicht daran, die Stimmrechte durch die Veräußerung von Teilen seines Wohnungsbestandes an Dritte zu vermehren. Das gilt auch dann, wenn es sich bei dem Dritten um einen nahen Angehörigen oder um eine juristische Person handelt, deren Anteile ihm allein zustehen (Senat, Urteile vom 27. April 2012 - V ZR 211/11, NJW 2012, 2434 Rn. 10 und vom 14. Juli 2017 - V ZR 290/16, NJW 2018, 552 Rn. 6 jeweils mwN). Veranlassung, diesen begrenzten Majorisierungsschutz durch eine teleologisch erweiternde Auslegung von § 25 Abs. 2 WEG oder eine analoge Anwendung von § 25 Abs. 5 WEGvon § 25 Abs. 2 WEG oder eine analoge Anwendung von § 25 Abs. 5 WEG (= § 25 Abs. 4 WEG nF) zu verstärken, besteht auch dann nicht, wenn ein Wohnungseigentümer zugleich Mehrheitseigentümer einer anderen Wohnung ist. Die unbedingte Durchsetzung des Kopfprinzips ist nach der Rechtsprechung des Senats nicht geboten, weil es dem Objekt- oder Wertprinzip nicht generell überlegen ist. Die mit der Verwaltung verbundenen wirtschaftlichen Lasten bestimmen sich im Regelfall nach den Miteigentumsanteilen und nicht nach Köpfen. Vor allem aber wird der erforderliche Minderheitenschutz durch die Verpflichtung zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung (§ 21 Abs. 5 WEG; § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG nF) und deren gerichtliche Kontrolle gewährleistet, auf deren Einhaltung Beschlüsse sorgfältig zu überprüfen sind (vgl. Senat, Urteile vom 28. Oktober 2011 - V ZR 253/10, BGHZ 191, 245 Rn. 12 und vom 14. Juli 2017 - V ZR 290/16, NJW 2018, 552 Rn. 13 und 20). Die gerichtliche Kontrolle ermöglicht nicht nur die Anfechtung gefasster, sondern auch die Erzwingung nicht gefasster, aber gebotener Beschlüsse. 

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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