BGH Beschluss vom 3.9.2021, Az. I ZB 72/19^; bekannt gegeben am 16.2.2021. Die in Art. 7 Abs. 1 lit. e der EU-Richtlinie genannten Rechtfertigungsgründe - werden auf die heutige Produktion und die neue Art des Vertriebs angewandt. 

Leitsätze

a) Eine Änderung der Spezifikation, die die Zuerkennung einer geschützten geografischen Angabe an die Aufmachung im Erzeugungsgebiet knüpft, ist nur gerechtfertigt, wenn einer der drei in Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 genannten Rechtfertigungsgründe - Qualitätswahrung oder Ursprungsgewährleistung oder Kontrollgewährleistung - vorliegt.
b) Bei der Prüfung, ob die Wahrung der Qualität des in Rede stehenden Erzeugnisses (hier: von der geschützten geografischen Angabe "Schwarzwälder Schinken" erfasster Schinken) das Erfordernis der Aufmachung (hier: das Schneiden und Verpacken) im Erzeugungsgebiet (hier: im Schwarzwald) erfordert, kommt es darauf an, ob dieses Erfordernis produktspezifisch gerechtfertigt ist. Eine produktspezifische Rechtfertigung liegt nur vor, wenn das betreffende Erzeugnis bei einer Verarbeitung außerhalb des Erzeugungsgebiets im Vergleich zu anderen vergleichbaren Erzeugnissen erhöhten Risiken ausgesetzt ist, denen mit den vorgesehenen Maßnahmen wirksam begegnet werden kann.
c) Das Erfordernis der Aufmachung im Erzeugungsgebiet ist unter dem Gesichtspunkt der Ursprungsgarantie und der Rückverfolgbarkeit des Erzeugnisses nur gerechtfertigt, wenn die Spezifikation zur Gewährleistung des Ursprungs des Erzeugnisses Kontrollen vorsieht, die innerhalb des Erzeugungsgebiets effektiver als außerhalb dieses Gebiets vorgenommen werden können.
d) Das Erfordernis der Aufmachung eines von einer geschützten geografischen Angabe erfassten Erzeugnisses im Erzeugungsgebiet ist gerechtfertigt, wenn es dem Ziel dient, eine wirksame Kontrolle der Spezifikation für diese geschützte geografische Angabe zu gewährleisten. Dabei muss es sich um Kontrollen handeln, die außerhalb des Erzeugungsgebiets weniger Garantien für die Qualität und Echtheit dieses Erzeugnisses geben als Kontrollen, die im Erzeugungsgebiet unter Einhaltung der in der Spezifikation vorgesehenen Verfahren durchgeführt werden. 

Der Fall

Die Bezeichnung „Schwarz­wälder Schinken“ ist seit 1997 geschützt. 2005 hatte der Schutz­verband der Schwarz­wälder Schinken­hersteller beantragt, die Regelungen zu verschärfen. Vor allem der Verkauf in den Supermärkten hat bewirkt, dass der Schinken immer seltener im Stück vertrieben wird, sondern in Scheiben. Der Schutzverband wollte - mit Ausnahmen - vor allem auch erreichen, dass das gewerbliche Auf­schneiden und Verpacken im Schwarzwald erfolgen muss. 

Dagegen wurden mehrere Einsprüche eingelegt, unter anderem von einem Hersteller, der seinen Schinken im Schwarzwald produziert, aber in Nieder­sachsen auf­schneidet und verpackt. Der Streit beschäftigte mehrfach das Bundes­patent­gericht und 2018 noch den Europäischen Gerichtshof. Dieser gab vor, dass die Beschränkung nur gerechtfertigt ist, wenn sie „ein erforderliches und verhältnis­mäßiges Mittel darstellt, um die Qualität des Erzeugnisses zu wahren oder dessen Ursprung oder die Kontrolle der Spezifikation für die geschützte geo­grafische Angabe zu gewähr­leisten“. Ob das auf den Schwarz­wälder Schinken zutrifft, sollten deutsche Gerichte klären.
Der BGH bestätigte nun einen Beschluss des Bundes­patent­gerichts, das 2019 entschieden hatte.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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