Amtsgericht Potsdam, Urteil vom 04.06.2020 - 31 C 38/19 -


Der Beschluss einer Wohnungs­eigentümer­gemeinschaft über eine Baumfällung ist unwirksam, wenn die Möglichkeit der Erhaltung des Baumes besteht. Der Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung verlangte im entschiedenen Fall zu prüfen, ob eine weniger eingreifende Maßnahme möglich ist.  

Der Sachverhalt im entschiedenen Fall

Auf einer Eigentümerversammlung in Potsdam im August 2019 beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich das Fällen einer Erle. Der Wohnungseigentumsverwalter war der Meinung, dass die Erle umsturzgefährdet sei und verwies auf die von der zuständigen Behörde erteilte Fällgenehmigung von Oktober 2017. Mehrere Wohnungseigentümer waren mit der Baumfällung nicht einverstanden und erhoben gegen den Beschluss Klage. Sie zweifelten an, dass die Erle umsturzgefährdet sei. Die Erle könne vielmehr erhalten werden.

Begründung

"Der Beschluss zur Fällung der Bäume widersprach dem Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung nach § 21 Abs. 3 und Abs. 4 WEG. Grundsätzlich obliegt es Wohnungseigentümern, bei mehreren Entscheidungsmöglichkeiten eine Ermessensentscheidung zu treffen. Dazu gehört auch festzustellen, ob eine Ermessensentscheidung möglich ist oder eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Insoweit fehlten zum Zeitpunkt der Eigentümerversammlung ausreichende Anhaltspunkte. Soweit die Beklagten geltend machen, die streitgegenständliche Erle sei umsturzgefährdet, und müsse deswegen gefällt werden, spricht allein der Zeitablauf vom 26.10.2017, als die Fällgenehmigung erteilt wurde, und dem Zeitpunkt der Eigentümerversammlung am 23.08.2019 dagegen, dass eine akute Umsturzgefahr bestand. So stand der Baum auch ca. 2 Jahre nach Erteilung der Fällgenehmigung noch." Insofern spricht viel dafür, dass Kronenpflegemaßnahmen o. ä. ausreich(t)en, um den Baum erhalten zu können. Es hat zahlreiche, auch heftige Stürme in den letzten Jahren gegeben, wie allseits bekannt ist, ohne dass die Erle umgekippt ist. Auch ist nichts dafür vorgetragen worden, dass z.B. frische Risse in der Erdoberfläche erkennbar geworden sind, die eine fehlende Standfestigkeit des Baumes indizieren würden. Dass der Wurzelteller angehoben sei, ist nicht behauptet worden, ebenso wenig eine Veränderung der Schrägstellung des Stammes. Allein, dass die Erle schief steht, wie die Beklagten geltend machen, indiziert keine Umsturzgefahr, da Bäume sich regelmäßig, wie allgemein bekannt ist, den Weg zum Licht suchen. Unter diesen Umständen hätte es der Wohnungseigentümergemeinschaft oblegen festzustellen, ob andere, weniger eingreifende Maßnahmen noch erforderlich, möglich und gewünscht waren, um die Bäume zu erhalten. Die Tatsache, dass im Rahmen der Fällgenehmigung festgestellt wurde, dass die Bäume beseitigt werden dürfen, weil sie eine, hier die Erle, eine sehr schlechte Vitalität aufweist, ist insoweit nicht streitentscheidend. Der Bescheid war eine Fällgenehmigung, kein Bescheid, mit dem die Fällung zwangsweise angeordnet wurde. So mögen Wohnungseigentümer zu Zwecken des Naturschutzes und auch aus optischen Gründen unter Umständen andere Maßnahmen gegenüber einer Fällung bevorzugen. Welche Möglichkeiten bestanden und nach dem Kronenschnitt noch erforderlich waren, hätte vor Beschlussfassung geklärt werden müssen.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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