Bundesgerichtshof Urteil vom 7.12.2020 Az. AnwZ (Brfg) 17/20. Vom BGH herausgegeben gestern, am 14.1.2021. Wie kann man den Juristen allgemein aus dem juristischen Gestrüpp heraus helfen? Einige Schlagworte heben wir hervor.

Warum wird bei Urteilen so oft nicht aufgegriffen, ob, dass und wie das Recht praktikabler gestaltet und nicht ständig ohne Not weiter verkompliziert werden sollte? Vgl. dazu bitte auch ein wichtiges Musterbeispiel in der Anmerkung unten: das sog. Europäische Verbraucherleitbild. -- Zurück zum Recht des Geschäftsführers, das dereinst im Verhältnis noch übersichtlich war.

Das neue BGH-Urteil vom 7.12. beginnt damit, dass es gleich dahinstellt, ob im entschiedenen Fall der Geschäftsführer: Geschäftsführer oder Angestellter ist. Am Ende des Urteils reicht es nach vielen Seiten jedenfalls nicht zum Syndikusanwalt. Es soll nicht bestritten werden, dass sich, ein Hauptbeispiel, EU-Recht in unterschiedlichster Form auswirkt. Aber warum wurde nicht entgegengewirkt?

In dem neuen Urteil führt der BGH unter anderem aus: 

Die Tätigkeit muss den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entsprechen, tut es aber nicht. ....

Auf Seite 22 stellt das Urteil schlussendlich fest:

Insgesamt teilt der Senat daher die Bewertung des Anwaltsgerichtshofs, dass das Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen schwerpunktmäßig von seinen nichtanwaltlichen Tätigkeiten als Geschäftsführer in seiner unternehmerischen Funktion, gerichtet auf die Verwirklichung des Gesellschaftszwecks und Umsetzung der strategischen und wirtschaftlichen Zielvorgaben durch Ausrichtung und Struktur des Unternehmens unter Berücksichtigung rechtlicher und steuerlicher Gesichtspunkte, geprägt ist. Dies zeigt letztlich auch der eigene Vortrag des Beigeladenen, er sei als Geschäftsführer bestellt und angestellt worden,weil er nicht nur als Rechtsberater von außen in die B. Unternehmensgruppe habe hineinwirken, sondern von innen heraus habe tätig werden und "in hervorgehobener Stellung mit der entsprechenden Durchsetzungskraft als Mitglied der Geschäftsführung die steuerlichen und rechtlichen Geschicke der B. Unternehmensgruppe lenken" sollen.

Anmerkung

Zu Beginn haben wir als Musterbeispiel für die Verkomplizierung des Rechts das Europäische Verbraucherleitbild aufgeführt. Der EuGH formuliert nach einigen Schwankungen seit dem Jahre 2008: Maßgeblich ist der „normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher". In der EU stellen seitdem die Gerichte pflichtgemäß auf dieses Kriterium ab. Nur schade, dass ehrlich beurteilt niemand für den Einzelfall sagen kann, wie der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher eine Erklärung, oder worauf es sonst ankommt, auffasst. Der Eine fasst so auf, der Andere anders. 

Der BGH hatte bis dahin, darauf abgestellt, wie ein erheblicher Teil des relevanten Verkehrskreises auffasst. Längst vor dem Jahre 2008 hatte sich die Rechtsprechung auf dieses Kriterium eingestellt, vor allem auch mit repräsentativen Umfragen. 

Die deutschen Gerichte versuchen nun mehr oder weniger unterschiedlich, sich an die bis zum Jahre 2008 geübte Praxis anzunähern, ohne auf diesen Verbesserungs-Bezug hinzuweisen.

Am ausführlichsten haben wir diese Sach- und Rechtslage in dem Buch Schweizer „Die Entdeckung der pluralistischen Wirklichkeit” dargestellt. Nachdem die 3. Auflage dieses Buches gleich nach Erscheinen vergriffen war und seitdem im Volltext im Internet nachlesbar ist (Google Books: Die Entdeckung der pluralistischen Wirklichkeit) haben wir die nach wie vor aktuelle 3. Auflage auf unserer Homepage laufend zu neuen Fällen unter „Aktuelles” ergänzt. Siehe dort Suchfunktion, auch unter den Schlagworten: Dezisionismus, Verkehrsauffassung, Verkehrsanschauung. Mehrere Doktorarbeiten liegen vor. Eine Zusammenfassung und Erweiterung wird unter dem Titel „Verkehrsauffassungs-Recht" erarbeitet. Siehe bitte auch auf der Startseite dieser Webseite den Hinweis auf die Beratungsfelder unserer Kanzlei.

 

  

 

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
zertifizierte Datenschutzbeauftragte (DSB-TÜV)
Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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