Urteil vom 18.9.2020, Az. V ZR 28/20, am 17.12.2020 bekannt gegeben. Ein klares Urteil, - so, wie man es eben vom V. Zivilsenat gewohnt ist.
Die wichtigste Passage aus den Entscheidungsgründen (Hervorhebungen von uns):
Nach dem Wortlaut der Grundbucheintragung berechtigt die Grunddienstbarkeit dazu, das heutige Flurstück 141 „als Übergang zu benutzen“. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts folgt hieraus nicht, dass Inhalt der Grunddienstbarkeit nur ein Gehrecht ist. Richtig ist zwar, dass der Begriff „Übergang“ dahingehend verstanden werden kann, dass damit der Vorgang des Überschreitens oder Hinübergehens gemeint ist. Darin erschöpft sich die Bedeutung des Begriffs aber nicht. Vielmehr wird unter ihm auch eine Verbindung von getrennt Liegendem verstanden. Insoweit wird mit ihm eine Stelle, Einrichtung oder Fläche beschrieben, die zum Überqueren oder Passieren dient. Diese Bedeutung kommt etwa in den Begriffen des Grenz- oder Bahnübergangs zum Ausdruck.
Für ein derartiges, die Funktion einer Fläche als Verbindung beschreibendes Verständnis spricht im vorliegenden Zusammenhang die Formulierung, wonach das Recht eingeräumt ist, das belastete Flurstück „als Übergang zu benutzen“. Mit welchen Mitteln das Überqueren der Fläche des belasteten Flurstücks erfolgen kann, wird mit der verwendeten Formulierung nicht eingegrenzt. Es ist allgemein von einer Benutzung die Rede. Wie auch das Wort „Zugang“ beschränkt sich der Begriff „Übergang“ nicht auf zum Beschreiten eingerichtete Zukömmlichkeiten, sondern umfasst im Grundsatz alle zum Erreichen des anderen Grundstücks üblicherweise zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (vgl. OLG Hamburg, OLGE
12, 128; MüKoBGB/Mohr, 8. Aufl., § 1018 Rn. 33).
Soweit das Berufungsgericht auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe 1991, 785, 787) verweist und meint, dass ein „Zugangsrecht“ die Benutzung des Weges mit mehrspurigen Fahrzeugen nicht umfasse, ergibt sich nichts Abweichendes. Nach
dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt konnte ein Befahren des Weges mit mehrspurigen Fahrzeugen aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse nicht erfolgen. Hier ist dies anders (vgl. 2. b) bb)). Eine Dienstbarkeit, die zur Nutzung einer Fläche des dienenden Grundstücks „als Übergang“ zu einem Grundstück berechtigt, steht regelmäßig einem Wegerecht gleich. Dieses umfasst auch das Befahren mit einem üblichen Fahrzeug (vgl. OLG Karlsruhe, OLGZ 86, 70, 73).
b) Das durch eine Grunddienstbarkeit gesicherte Recht, ein Grundstück „als Übergang zu benutzen“ berechtigt daher auch dazu, dieses mit einem Kraftfahrzeug zu überqueren; etwas anderes gilt nur dann, wenn sich eine Beschränkung in eindeutiger Weise aus den bei der Auslegung der Grundbucheintragung berücksichtigungsfähigen Umstände ergibt.
Anmerkung
Zum Sachverhalt berichtet das Gericht in dem Urteil:
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Der Kläger ist Eigentümer der Flurstücke 140 und 141, die unmittelbar an einer öffentlichen Straße liegen. Die beiden im Eigentum der Beklagten stehenden Flurstücke 142 und 143 grenzen an die Flurstücke des Klägers an. Sie verfügen über keine Verbindung mit einer öffentlichen Straße. Die Flurstücke bildeten ursprünglich zusammen mit einem
weiteren Grundstück, das hinter den Flurstücken 142 und 143 liegt und ebenfalls keine Verbindung zu einer öffentlichen Straße hat, ein einheitliches Grundstück.
Seit der Aufteilung des Grundstücks im Jahr 1936 lastet auf dem Flurstück 141, das 2,40 m breit und 25 m lang ist, eine Grunddienstbarkeit. Nach der Grundbucheintragung ist der jeweilige Eigentümer des heute im Eigentum der Beklagten stehenden, mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks berechtigt, das Flurstück 141 „als Übergang zu benutzen“ und dort die Versorgungsleitungen zu verlegen.
Der hervorgehobene Satz (keine Verbindung mit einer öffentlichen Straße) gewann für die Entscheidung nicht ausdrücklich Bedeutung. Er kann jedoch ungeschrieben insofern Bedeutung gewonnen haben, als dieser Umstand dem Gericht verdeutlichte, dass eine andere Auslegung für den abgeschnittenen Nachbarn zu schädlich gewesen wäre.
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