Bundesgerichtshof Urteil vom 15.10.2020 Az. I ZR 147/18; bekannt gegeben heute 16.11.2020. Leitsätze:

a) Grundsätzlich hat derjenige, der wegen der Verletzung einer Unionsmarke in Anspruch genommen wird, darzulegen und zu beweisen, dass die von ihm vertriebene Ware vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden ist. Kann der in Anspruch Genommene darlegen und beweisen, dass die Gefahr einer Abschottung der nationalen Märkte droht, wenn er seine Bezugsquelle offenlegen müsste, trifft den Markeninhaber die Beweislast dafür, dass die Ware nicht mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden ist.
b) Ein selektives Vertriebssystem, bei dem der Markeninhaber seinen Vertriebspartnern eine Belieferung von Außenseitern nicht gestattet, begründet nicht in jedem Fall die Gefahr einer Marktabschottung. Die Gefahr einer Abschottung der nationalen Märkte kann ausgeschlossen sein, wenn Querlieferungen zwischen Vertriebspartnern in unterschiedlichen Mitgliedstaaten gestattet sind.
c) Schränken die Vertragsbedingungen des Markeninhabers solche Querlieferungen ein und bestehen zudem Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, kann eine tatsächliche Vermutung für die Gefahr einer Marktabschottung sprechen. In einem solchen Fall obliegt es dem Markeninhaber, diese Vermutung zu widerlegen sowie darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die Preisunterschiede auf andere Ursachen zurückzuführen sind.

Anmerkungen

Betroffen sind Marken „JOOP”.

Interessant sind recht viele Einzelheiten wie (teilweise überschneidend mit den Leitsätzen):

1. Zur Erschöpfung der Marke. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, die Waren seien von der Markeninhaberin oder mit deren Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden und die daran bestehenden Markenrechte gemäß Art. 15 Abs. 1 UMV (Art. 13 Abs. 1 GMV) erschöpft.

2. Die Regelungen zur Erschöpfung der Markenrechte haben den Zweck, die grundlegenden Belange des Markenschutzes       mit denen des freien Warenverkehrs im Gemeinsamen Markt in Einklang zu bringen.

3. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft zu hohe Anforderungen an die Darlegung der Gefahr einer Marktabschottung gestellt.

4. Ein selektives Vertriebssystem ist kartellrechtlich zulässig, wenn es primär der Sicherstellung des Images von     Luxuswaren dient.

5. Ein solches selektives Vertriebssystem soll jedoch im Markenverletzungsstreit dem Markeninhaber nicht die Mittel an die Hand geben, die die Gefahr der Abschottung der nationalen Märkte begründen und damit der Beibehaltung von Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten dienen.

6.  Eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Klärung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Umkehr der Beweislast zu den Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 1 UMV (Art. 13 Abs. 1 GMV) eintritt, bedarf es nicht. Die Maßstäbe für diese Beurteilung sind durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hinreichend geklärt. Die Umsetzung dieser Entscheidungspraxis im konkreten Fall ist Aufgabe der nationalen Gerichte.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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