Bundesarbeitsgericht Urteil vom 27.8.2020, Az. 8 AZR 62/19.

Das BAG ist nach § 31 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebunden. Danach führt eine Regelung wie § 2 Berliner Neutralitätsgesetz (die das Tragen eines islamischen Kopftuchs durch eine Lehrkraft im Dienst ohne Weiteres, also schon wegen der bloß abstrakten Eignung zur Begründung einer Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität in einer öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule verbietet) zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Religionsfreiheit nach Art. 4 GG. Dies gilt, sofern das Tragen des Kopftuchs - wie hier im Fall der Klägerin - nachvollziehbar auf ein als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen ist.

Die Klägerin kann - so das BAG - von dem beklagten Land (Berlin) nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG die Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 5.159,88 Euro verlangen. Die Klägerin hat als erfolglose Bewerberin eine unmittelbare Benachteiligung im Sinn des § 3 Abs. 1 AGG erfahren. 

Anmerkungen 

1. § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bestimmt:

(2) 1Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. 2Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

2. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, an welche sich das BAG gebunden fühlt, ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015, Az. 1 BvR 471/10 -, 1 BvR 1181/10. Nach dieser Rechtsprechung ist für ein gesetzliches allgemeines Verbot religiöser Symbole wie dem Kopftuch eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität erforderlich. Diese Gefahr hat das BAG im entschiedenen Fall nicht feststellen können. Das Neutralitätsgesetz des Landes Berlin ist mit der Verfassung vereinbar, weil dieses verfassungskonform ausgelegt werden kann, hat die Vorinstanz - das Landesarbeitsgericht Berlin - bereits durch Urteil vom 09.02.2017 entschieden, Az. 14 Sa 1038/16.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

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