Bundesgerichtshof Urteil vom 9.7.2020, Az. IX ZR 289/19, bekannt gegeben am 11.8.2020. Im entschiedenen Fall hat der BGH eine Schutzwirkung zugunsten der beiden Töchter einer Geschädigten verneint. Selbstverständlich gelten die Ausführungen grundsätzlich für Mandate aus allen Rechtsbereichen. Hervorhebungen zur besseren Übersicht von uns.

Der Fall

Die Mutter der Klägerinnen zu 1 und 2 wurde bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Sie ist seitdem schwerstbehindert, auf einen Rollstuhl angewiesen und dauerhaft pflegebedürftig. Nach dem Unfall beauftragte die Mutter der Klägerinnen zunächst eine Rechtsanwältin mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Ende November 2006 bestätigte die Streithelferin als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers ihre volle Einstandspflicht dem Grunde nach. Im Dezember 2007 beauftragte die Mutter der Klägerinnen den Beklagten mit der Weiterverfolgung der unfallbedingten Schadensersatzansprüche
gegenüber der Streithelferin [Haftpflichtversicherer].
Das Mandat endete im Mai 2016. Die Klägerinnen leben mit starken Schuldgefühlen ihrer pflegebedürftigen Mutter gegenüber, so die Gerichte weiter. Die Klägerin zu 1 ist seit Oktober 2016 in psychotherapeutischer Behandlung; die Klägerin zu 2 hat sich einer solchen Behandlung von April 2013 bis September 2014 unterzogen. Die Klägerinnen haben behauptet, ihre Leiden seien auf den Unfall, bei dem auch sie in dem Fahrzeug der Mutter gesessen hätten und leicht verletzt worden seien, zurückzuführen. Sie haben gemeint, der Beklagte hätte im Rahmen des Mandats mit ihrer Mutter auch über die ihnen zustehenden und nach ihrer Ansicht inzwischen verjährten Ansprüche gegenüber der Streithelferin aufklären und beraten müssen. Das Mandat endete im Mai 2016. Die Klägerinnen leben - so die Gerichte weiter -  mit starken Schuldgefühlen ihrer pflegebedürftigen Mutter.

Rechtliche Begründung

Ein Anwaltsvertrag hat auch ohne eine ausdrückliche Regelung Schutzwirkungen zu Gunsten eines Dritten, sofern sich dies aus einer maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben geprägten ergänzenden Auslegung des Beratervertrages ergibt. Hierzu müssen nach ständiger Rechtsprechung folgende Kriterien erfüllt sein: Der Dritte muss mit der Hauptleistung des
Rechtsanwalts bestimmungsgemäß in Berührung kommen. Der Gläubiger muss ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Beratungsvertrages haben. Die Einbeziehung Dritter muss dem schutzpflichtigen Berater bekannt oder für ihn zumindest erkennbar sein. Ausgeschlossen ist ein zusätzlicher Drittschutz regelmäßig dann, wenn der Dritte
wegen des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts bereits über einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch verfügt. 

Anmerkung

Der BGH ist für diesen Fall auf die einzelnen Kriterien so eingegangen, dass das Urteil öfters auch als Vorbild dienen kann. So etwa, wenn das Urteil ausführt: 

„Die Beurteilung, der zwischen der Mutter der Klägerinnen und dem Beklagten geschlossene Anwaltsvertrag entfalte keine Schutzwirkung zugunsten der Klägerinnen, weil es an einem ausreichenden Näheverhältnis fehle, ist nicht zu beanstanden ...”

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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