Bundesgerichtshof Urteil von heute 27. Juli 2020, Az. VI ZR 405/18. Hervorhebung von uns.

Erneut hat der BGH heute die Meinungsfreiheit (zugunsten von Google) vorgezogen. Wie stets geht es um die Abwägung im Spannungsfeld zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrechten. Die Grundlagen für das starke Gewicht der Meinungsfreiheit stammen, meinen wir, vom ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht Prof. Dieter Grimm („Soldaten sind Mörder”). Er hat seine Referendarausbildung 1964/65 für ein Jahr an der Harvard University unterbrochen. Unsere Kanzlei war von der  Rechtsprechung von Prof. Dr. Dieter Grimm am Bundesverfassungsrecht regelmäßig unmittelbar in eigenen Prozessen oder mittelbar betroffen. Wir haben den Eindruck gewonnen, dass er, wenn auch kritisch und eben klug, in diesem Jahr an der Harvard University sehr aufmerksam das amerikanische Freiheitsrecht wahrgenommen und dann auch bedacht genutzt hat.

Zuerst nun die wichtigsten Sätze aus einem der beiden neuen Urteile von heute, 27. Juli

Da im Rahmen dieser Abwägung die Meinungsfreiheit der durch die Entscheidung belasteten Inhalteanbieter als unmittelbar betroffenes Grundrecht in die Abwägung einzubeziehen ist, gilt keine Vermutung eines Vorrangs der Schutzinteressen des Betroffenen, sondern sind die sich gegenüberstehenden Grundrechte gleichberechtigt miteinander abzuwägen. Aus diesem Gebot der gleichberechtigten Abwägung folgt aber auch, dass der Verantwortliche einer Suchmaschine nicht erst dann tätig werden muss, wenn er von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung des Betroffenen Kenntnis erlangt. An seiner noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten der DS-GVO entwickelten gegenteiligen Rechtsprechung (Senatsurteil vom 27. Februar 2018 - VI ZR 489/16, BGHZ 217, 350, 363 Rn. 36 i.V.m. 370 f. Rn. 52) hält der Senat insoweit nicht fest.

Nach diesen Grundsätzen haben die Grundrechte des Klägers auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufs im konkreten Fall hinter den Interessen der Beklagten und den in deren Waagschale zu legenden Interessen ihrer Nutzer, der Öffentlichkeit und der für die verlinkten Zeitungsartikel verantwortlichen Presseorgane zurückzutreten, wobei der fortdauernden Rechtmäßigkeit der verlinkten Berichterstattung entscheidungsanleitende Bedeutung für das Auslistungsbegehren gegen die Beklagte [Google] zukommt.

Der Fall, wie er heute in der Pressemitteilung des BGH geschildert wird:

Der Kläger war Geschäftsführer eines Regionalverbandes einer Wohlfahrtsorganisation. Im Jahr 2011 wies dieser Regionalverband ein finanzielles Defizit von knapp einer Million Euro auf; kurz zuvor meldete sich der Kläger krank. Über beides berichtete seinerzeit die regionale Tagespresse unter Nennung des vollen Namens des Klägers. Der Kläger begehrt nunmehr von der Beklagten als der Verantwortlichen für die Internetsuchmaschine "Google", es zu unterlassen, diese Presseartikel bei einer Suche nach seinem Namen in der Ergebnisliste nachzuweisen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Genausowenig nun die Revision.

 

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
zertifizierte Datenschutzbeauftragte (DSB-TÜV)
Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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