Beschlüsse der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2459/19, 1 BvR 2397/19, 1 BvR 1094/19 und 1 BvR 362/18; veröffentlicht am 19.6.2020.
Das BVerfG beurteilte Verfassungsbeschwerden gegen strafgerichtliche Verurteilungen wegen Beleidigung und hat die Rspr. des BVerfG klarstellend zusammen gefasst. Für die Fachgerichte bedeuten diese Beschlüsse, dass ihre Freiheiten zunächst jedenfalls eingeschränkt sind und sie sich minutiös an die Beschlüsse halten müssen. Die Rechtsanwälte werden sich häufiger als sonst angespornt fühlen, Urteile anzugreifen. Sie werden in ihren Argumentationen voraussichtlich häufiger als früher Grenzen überschreiten (die vom BVerfG gesetzt sind). Vereinfacht ausgedrückt: Die Anzahl der Prozesse wird wohl zunehmen, jedenfalls einige Zeit lang, auch wenn das BVerfG wesentliche Kriterien vorgibt und dadurch sicher mehr Rechtssicherheit anstrebt. In der Praxis werden Gerichte und Rechtsanwälte im Spannungsfeld von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechten in der Regel nicht umhin kommen, die vier Beschlüsse detailliert heranzuziehen.
Die Beschlüsse besagen: Ob eine ehrbeeinträchtigende Äußerung rechtswidrig und unter den Voraussetzungen der §§ 185, 193 StGB strafbar ist, hängt in aller Regel von einer Abwägung der widerstreitenden grundrechtlichen Interessen ab. Eine Abwägung ist nur in besonderen Ausnahmefällen und nur unter engen Voraussetzungen entbehrlich. Die Beschlüsse fassen die wesentlichen Kriterien zusammen, die bei der Abwägung von Bedeutung sein können.
Die besonderen Ausnahmefälle sind die verfassungsrechtlich spezifisch definierten Fälle einer Schmähkritik, einer Formalbeleidigung oder einer Verletzung der Menschenwürde.
Die 2. Kammer hat die speziellen Voraussetzungen solcher Fallkonstellationen, so die Pressemitteilung, klargestellt und hervorgehoben, dass deren Bejahung von den Fachgerichten klar kenntlich zu machen und in gehaltvoller Weise zu begründen ist. Umgekehrt hat die Kammer betont, dass die Ablehnung eines solchen Sonderfalls, insbesondere das Nichtvorliegen einer Schmähung, das Ergebnis der Abwägung nicht präjudiziert.
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