Bundesgerichtshof Urteil vom 20.3.3020, bekannt gegeben am 19.5.2020.

Leitsatz: Die Abgrenzung zwischen einem Grundstücksnießbrauch und einer Benutzungsdienstbarkeit richtet sich allein formal danach, ob dem Berechtigten eine umfassende Nutzungsbefugnis (ggfs. unter Ausschluss einzelner Nutzungen) oder nur einzelne Nutzungsmöglichkeiten eingeräumt werden. BGB § 1018 Alt. 1; WEG § 5 Abs. 4 Sätze 2 und 3.

Nicht nur, weil unsere Kanzlei in diesen Rechtsstreit von Anfang an rechtsanwaltlich involviert war, auch bereits außergerichtlich, publizieren wir dieses heute bekannt gegebene Urteil gleich während der Woche. (Sonst veröffentlichen wir wichtige Urteile zum Nachbar- und Gartenrecht in einem weiten Sinne am Wochenende.) Dieses Urteil ist so reichhaltig, instruktiv und bestückt mit einigen Neuigkeiten, dass sich auch Kommentatoren eingehend mit ihm beschäftigen werden. Aus guten Gründen wird das Urteil in allen drei Verlautbarungswerken publiziert werden (Nachschlagewerk, BGHZ und BGHR). Den voranstehenden Leitsatz konkretisiert der V. Zivilsenat in fünf weiteren Leitsätzen.   

a) Ein Sondernutzungsrecht kann nicht selbständig mit einer Dienstbarkeit belastet werden.

b) Ausübungsbereich einer Grunddienstbarkeit kann eine Sondernutzungsfläche sein, die dem belasteten Sondereigentum zugeordnet ist; sie kann auch den alleinigen Ausübungsbereich darstellen.

c) Berechtigt eine Dienstbarkeit zur Nutzung von Sondereigentum, ist die Berechtigung vorbehaltlich einer abweichenden Regelung in der Eintragungsbewilligung dahingehend zu verstehen, dass sie auch die Nutzung der Fläche umfasst, an der ein dem Sondereigentum zugeordnetes Sondernutzungsrecht besteht. Die Befugnis zur Nutzung einer solchen Fläche muss daher nicht schlagwortartig im Grundbuch selbst gekennzeichnet werden.

d) Für eine Aufhebung oder Übertragung des Sondernutzungsrechts ist die Zustimmung des Dienstbarkeitsberechtigten gemäß §§876, 877 BGB erforderlich; können die übrigen Wohnungseigentümer jedoch gemäß §10 Abs.2 Satz 3 WEG eine Änderung oder Aufhebung des Sondernutzungsrechts verlangen, ist auch der Dienstbarkeitsberechtigte zur Zustimmung verpflichtet.

e) Überschreitet der Dienstbarkeitsberechtigte die Grenzen einer zulässigen Nutzung, wie sie sich aus den Vereinbarungen der Wohnungseigentümer untereinander ergeben, stehen den Wohnungseigentümern - nicht anders als gegen den Mieter - Ansprüche aus §1004 BGB zu.

Anmerkungen:

Lesenswert ist auch das vorinstanzliche, vom BGH respektvoll aufgenommene und im Ergebnis bestätigte Urteil des Oberlandesgerichts München vom 21.11.2018 -15 U 1431/18.

Alle bis jetzt erschienen Fachpublikationen aller Art berichten über dieses Urteil. So als wohl erste „beck aktuell”seit 19.5.2020: 

In einer für die amt­li­che Samm­lung vor­ge­se­hen Ent­schei­dung hat der V. Zi­vil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs die Ge­le­gen­heit ge­nutzt zu meh­re­ren bis­lang offen ge­las­se­nen Streit­fra­gen im Ver­hält­nis von Nießbrauch und Dienst­bar­keit beim Woh­nungs­ei­gen­tum Stel­lung zu neh­men. Die Rich­ter er­klär­ten unter an­de­rem, dass eine Son­der­nut­zungs­flä­che in die Dienst­bar­keit über das zu­ge­hö­ri­ge Son­der­ei­gen­tum ein­be­zo­gen sein kann.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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