Urteil vom 12. Mai 2020 – RiZ (R) 3/19

Die Schattenseiten der richterlichen Unabhängigkeit und Folgen für die Überlastung eines Gerichts, § 26 des Deutschen Richtergesetzes. Ein Beisitzer am OLG Karlsruhe hat es viel zu weit getrieben. Hat das Gericht von sich aus geschnüffelt? Nein. Nur haben die Kollegen gelitten. Dies berichtet der BGH jedoch nicht. Man kann es nur zwischen den Zeilen lesen. Der Leser erfährt nämlich immerhin: „Die Arbeitsweise des Richters hat zu Unzuträglichkeiten in der Verfahrensabwicklung in seinem richterlichen Dezernat geführt.” Mehr als einen Vorhalt und eine Ermahnung durch die (frühere) Präsidentin des OLG Karlsruhe ließ die richterliche Unabhängigkeit aber nicht zu, obwohl ....

Die Geschichte nach der Pressemitteilung des BGH von heute. Hervorhebungen durch uns.

Die Präsidentin hielt dem Richter die ordnungswidrige Art der Ausführung der Amtsgeschäfte vor und ermahnte ihn zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte. Der Richter unterschreite seit Jahren ganz erheblich und jenseits aller großzügig zu bemessender Toleranzbereiche das Durchschnittspensum. Im Jahre 2011 habe er sogar weniger Verfahren erledigt als dies der durchschnittlichen Leistung einer Halbtagsrichterin/eines Halbtagsrichters am Oberlandesgericht entspreche.

Der Richter hat beim Dienstgericht für Richter beantragt, den Vorhalt und die Ermahnung für unzulässig zu erklären, weil sie ihn in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigten und eine Änderung seiner Rechtsprechung herbeiführen sollten. Das Dienstgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die Berufung des Richters hat beim Dienstgerichtshof für Richter keinen Erfolg gehabt.

Auf die Revision des Richters hat das Dienstgericht des Bundes mit Urteil vom 7. September 2017 das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an den Dienstgerichtshof zurückverwiesen. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde des Richters hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.

Nach Einholung ergänzender Stellungnahmen des Richters zu den erhobenen Zahlen hat der Dienstgerichtshof die Berufung des Richters erneut zurückgewiesen.

Die weitere Revision des Antragstellers hatte nun keinen Erfolg. Ein Dienstvorgesetzter darf einen Richter, dessen Arbeitsweise zu Unzuträglichkeiten in der Verfahrensabwicklung in seinem richterlichen Dezernat geführt hat, grundsätzlich zu einer ordnungsgemäßen, unverzögerten Erledigung der Amtsgeschäfte ermahnen und ihm eine ordnungswidrige verzögerte Ausführung vorhalten. Die richterliche Unabhängigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes erst dann beeinträchtigt, wenn dem Richter direkt oder indirekt ein Pensum abverlangt wird, welches sich allgemein, also auch von anderen Richtern vergleichbarer Position, sachgerecht nicht mehr bewältigen lässt. Das ist nach der ergänzenden Prüfung des Dienstgerichtshofs hier nicht der Fall. Danach sind die dem Vorhalt zugrunde gelegten Vergleichszahlen zutreffend und nicht für den Richter nachteilig ermittelt worden und zeigen, dass ihm kein Arbeitspensum abverlangt wird, welches sich auch von anderen beisitzenden Richtern am Oberlandesgericht sachgerecht, d.h. ohne Zuhilfenahme pflichtwidriger Praktiken, nicht erledigen lässt. Diese Feststellungen waren aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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