Oberlandesgericht Frankfurt a. M. , Beschluss vom 16.04.2020 - 16 U 9/20.

Die eigene Deutung der Äußerung ist durch einen Interpretationsvorbehalt kenntlich zu machen, so das Gericht zugunsten der  Bundestagsabgeordneten Künast. Wir meinen: es fehlt für die Abgeordnete das Rechtsschutzbedürfnis. Vgl. unten die Anmerkung.

Wiedergegeben wurde als Zitat „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist, ist Sex mit Kindern doch ganz o. k. Ist mal gut jetzt.“ 

Geäußert hatte Künast: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist“, und zwar im Rahmen einer Sitzung, in welcher Künast als Rednerin der Grünen von einem CDU-Abgeordneten gefragt worden sei, wie sie zu einem Beschluss der Grünen in NRW stehe, die Strafandrohung gegen sexuelle Handlungen an Kindern aufzuheben.

Das OLG führt in seiner Urteilsberündung aus:

Der Beklagte hatte eine Werbeanzeige in Form eines sog. SharePic auf Facebook gepostet. Das SharePic zeigte den Kopf der Klägerin in spre-chender Pose mit dem Text: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist, ist Sex mit Kindern doch ganz o. k. Ist mal gut jetzt.“ ... Zunächst [ist festzustellen], dass es sich hier um eine Tatsachenbehauptung und nicht allein eine Meinungsäußerung handele. Der Beklagte habe den Eindruck erweckt, dass er die Klägerin wörtlich zitiere. So sei die Klägerin mit ihrem Kopf und einem zum Sprechen geöffneten Mund dargestellt worden; auch der Beginn des Textes mit dem Wort „Komma“ und die umgangssprachliche Ausdrucksweise unterstrichen diesen Eindruck. Der oberhalb des SharePic vorhandene Verweis auf einen Artikel in der „Welt“ sei angesichts der Plakativität und Auffälligkeit der Darstellung nicht geeignet, der Dar-stellung ein abweichendes Verständnis zu geben. Diese Darstellung beeinträchtige das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin. Der Eindruck, es handele sich um ein Zitat, sei tatsächlich unzutreffend. Dabei wirke der grundrechtliche Schutz auch gegenüber unrichtigen, verfälschten oder entstellten Wiedergaben einer Äußerung - wie hier. Mit einem Zitat werde nicht eine subjektive Meinung des Kritikers zur Diskussion gestellt, sondern eine objektive Tatsache über den Kritisierten behauptet. „Deswegen ist das Zitat, das als Belegkritik verwendet wird, eine besonders scharfe Waffe im Meinungskampf,“ [folgt Verweis auf höchstrichterliche Rechtsprechung]. Hier sei der Eindruck, es handele sich um ein Zitat der Klägerin, bereits deshalb unzutreffend, da die Klägerin die angegriffene Äußerung in der dargestellten Form nicht getätigt habe. [Die Abgeordnete] habe lediglich die Worte „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist" geäußert.

Anmerkung

An einer Stelle der Urteilsbegründung erklärt das OLG ausdrücklich: „Sie [die Abgeordnete] habe lediglich die Worte ‚Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist‘ geäußert. Dies sei für sich gesehen inhaltsleer und könne allein im Zusammenhang einen Sinn erhalten.

Wenn ein Zitat „allein im Zusammenhang einen Sinn erhält“, darf oder muss nach der Sprachlehre der zu ergänzende Sinn eingefügt werden. Die Frage ist nur, wie die Ergänung zu kennzeichnen ist. Nach dem im Urteil beschriebenen Zusammenhang wird gar nichts anderes übrig bleiben, als so, wie geschehen, inhaltlich zu ergänzen. Die Ergänzung wird nach der in der Wissenschaft geltenden Sprachlehre in einer [eckige Klammer] ergänzt werden können. Und in der Publikumssprache? In ihr wird im entschiedenen Fall nichts anderes übrig bleiben, als dem Beklagten zunächst Recht zu geben und nicht der Abgeordneten. Ein flapsiger Ausdruck muss nicht geschützt, er darf von der Abgeordneten korrigiert werden, aber nicht in Form einer rückwirkenden, gerichtlich erzwungen Löschung, insofern fehlt das Rechtsschutzbedürfnis!

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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