Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 14.11.2019, Az. 22 U 50/17. Das OLG befasste sich eingehend mit Verletzungen bei Mannschafts-Kampfsportarten wie Fußball, Hallenhandball, Basketball und der Einwilligung der Sportler. Dennoch hat das OLG aus grundsätzlichen Erwägungen wegen der Vielzahl möglicher auftretender Fälle die Revision zum BGH zugelassen. Das Urteil veranschaulicht, wie bedeutsam der Spielbericht sein kann.

Der vom OLG beurteilte Musterfall, Hervorhebungen von uns.

Die Parteien waren Spielerinnen gegnerischer Jugendmannschaften bei einem Hallenhandballspiel. Die Klägerin machte bei einem Tempo-Gegenstoß einen Sprungwurf. Die Beklagte, Torfrau der Gegnerinnen, versuchte den Wurf abzuwehren. Beide trafen im 6 m-Torraum zusammen. Die Klägerin stürzte und erlitt einen Kreuzbandriss im linken Knie. Der Schiedsrichter erteilte der Beklagten eine rote Karte ohne Bericht. Sie war für das fragliche Spiel, nicht aber darüber hinaus gesperrt. Die Klägerin beantragte Schmerzensgeld und Schadensersatz. Das Landgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG nach einer Beweisaufnahme Erfolg. Das OLG wies die Klage ab.

Begründung

Die Beklagte hat, so das Gericht, nicht dermaßen grob regelwidrig gehandelt, dass sie deliktisch haftet.

Die Herbeiführung einer Verletzung des Kontrahenten (hier der Gegenspielerin) kann bei Einhaltung der Spielregeln bei Kampfsportarten regelmäßig eine Haftung des Schädigers aus Delikt nicht begründen.Welche Gefahren im Einzelnen hingenommen werden müssen, richtet sich nach den jeweiligen Sportarten. Gewisse Kampfhandlungen sind auch von einem sorgfältigen Spieler nicht zu vermeiden. Sonst verliert insofern der Sport seinen Charakter als lebendiges Kampfspiel - auch wenn es nach den Spielregeln bereits als Foulspiel gewertet wird.

Für eine deliktische Haftung kommt es darauf an, ob die Verletzung eines Spielers auf einem Regelverstoß eines Gegenspielers beruht, der über einen geringfügigen und häufigen Regelverstoß ... deutlich hinausgeht und auch einen Grenzbereich zwischen gebotener kampfbedingter Härte und unzulässiger Unfairness klar überschreitet. Voraussetzung für ein haftungsbegründendes Verhalten ist, dass  zum Schutz von Spielern bestimmte Wettkampfregeln grob verletzt werden (etwa nach Ziff. 8.5 der Wettkampfregeln).

Im zu entscheidenden Fall hat der Sachverständige das Verhalten der Beklagten überzeugend nicht als besonders unsportlich, sondern lediglich als unnötige Härte aus jugendlichem Übereifer eingeordnet. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Vorfall im 6 m-Bereich der Torfrau ereignet hat. Springe ein Spieler dort hinein, sei ein Zusammenstoß sein Risiko.

Bedeutung erlangt zudem, dass der Schiedsrichter eine rote Karte, jedoch ohne Bericht erteilt hat. Erst ein Bericht i.S.v. Ziff. 8.6 der Wettkampfregeln liefert die Basis für die spielleitende Stelle, um später über Sanktionen zu entscheiden. Nach dem Regelwerk ist bei schwerwiegenden Regelverstößen eine rote Karte mit Bericht vorgesehen. Der Bericht ermöglicht eine eindeutige Tatsachenfeststellung. Fehlt der Bericht, wie im zu entscheidenden Fall, ist davon auszugehen, dass die Regelwidrigkeiten sich im Rahmen des körperbetonten Spielbetriebs halten und deshalb dadurch bedingte Verletzungen von der Einwilligung des Verletzten umfasst sind.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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