Ursprungsbezeichnung gegen "Ware aus Ort" - „Prosciutto die Parma” gegen: „Culatello di Parma”, BGH Urteil vom 12. 12. 2019, Az. I ZR 21/19.

Bereits der Umstand, dass eine nach dem Muster "Ware aus Ort" gebildete Bezeichnung in der Ortsangabe mit einer nach demselben Muster gebildeten geschützten Ursprungsbezeichnung übereinstimmt, kann eine Anspielung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 begründen. Der Bundesgerichtshof verschweigt, dass er eine vom OLG Köln in der Vorinstanz aufgeworfene, grundsätzlich höchst bedeutende Rechtsfrage negiert, nämlich: ob der „Europäische Verbraucher” rechtserheblich ist und, wenn ja, wie dessen Auffassung negiert. 

Die Rechtsgrundlage a.a.O. 

(1) Eingetragene Namen werden geschützt gegen ... 

 b) jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspie­lung, selbst wenn der tatsächliche Ursprung des Erzeugnisses oder der Dienstleistung angegeben ist oder wenn der ge­schützte Name in Übersetzung oder zusammen mit Ausdrü­cken wie „Art“, „Typ“, „Verfahren“, „Fasson“, „Nachahmung“ oder dergleichen verwendet wird, auch wenn dieses Erzeug­nis als Zutat verwendet wird;

Das grundsätzlich Entscheidende an diesem Urteil des BGH

Am 29.8.2019 haben wir an dieser Stelle auf eine Entscheidung des OLG Köln hingewiesen, die - streng genommen - eine Sensation darstellt. Das OLG Köln hatte in einem Urteil vom 18.1.2019 - Az. 6 U 61/18 - in einem Urteil als Leitsatz herausgestellt:

„Für die Frage der Anspielung im Sinne des Art. 13 I lit. b der Verordnung (EU) 1151/2012 kommt es weder auf die Sichtweise des deutschen Verbrauchers noch des Verbrauchers im Herkunftsland der Waren, sondern auf die Verkehrsauffassung des europäischen Verbrauchers an. Diese Verkehrsauffassung kann der Senat selbst beurteilen, da er zu den angesprochenen europäischen Verkehrskreisen gehört.”

Nun hat der BGH diesen Leitsatz in seinem Urteil vom 12.12.2019 diesen Leitsatz stillschweigend übergangen und hat gegenteilig (sic!) erklärt:  

‚Für die Entscheidung des Streitfalls kommt es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. oben Rn.36f.) nicht auf die Verkehrsauffassungim Herkunftsland des Produkts, also Italien, sondern auf das Verständnis des deutschen Verbrauchers als Teil der europäischen Verbraucher an.

Der BGH hat weiter u.a. ausgeführt - wobei jedoch die vom OLG Köln herausgestellte Kernfrage leer ausgeht, weil der BGH sich nur vom Wortlaut her dem Problem nähert. Das Berufungsgericht konnte diese Verkehrsauffassung selbst feststellen, da die Senatsmitglieder des Berufungsgerichts zu den angesprochenen europäischen Verkehrskreisen gehören. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, bereits der Umstand, dass die angegriffene Bezeichnung "Culatello di Parma"in der geografischen Herkunftsangabe "di Parma"mit der für die Klägerin geschützten Ursprungsbezeichnung "Prosciutto di Parma" übereinstimme, könne eine Anspielung begründen. Entgegen der Ansicht der Revision erstreckt sich der Schutz der eingetragenen Ursprungsbezeichnung "Prosciutto di Parma"nicht nur auf die Bezeichnung in ihrer Gesamtheit, sondern auch auf ihren geografischen Bestandteil "di Parma".”

Anmerkung

Diese beiden Urteile veranschaulichen wie wenig noch die Rechtsprechung in allen europäischen Ländern mit der Bedeutung der pluralistischen Wirklichkeit für das Recht umgehen kann. Siehe zu diesem Thema das Buch: R. Schweizer, Die Entdeckung der pluralistischen Wirklichkeit für das Recht (google books) sowie eine Reihe von Abhandlungen, insbesondere auch in Festschriften, zum Beispiel Festschrift Sonnenberger: Die Bedeutung der pluralistischen Wirklichkeit für das Recht. Hinweise zur Problematik finden sich auf der Homepage unserer Kanzlei unter den Suchwörtern: Dezisionismus, Verkehrsauffassung, Durchschnittsverbraucher oder Durchschnittsleser, Grundnorm.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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