Bundesgerichtshof Urteil vom 13.12.2019, Az. V ZR 152/18; bekannt gegeben heute 07.07.2020.

Beantragen die Parteien einvernehmlich die Verlegung eines Verkündungstermins, weil sie ernsthafte Vergleichsgespräche führen wollen, ist regelmäßig ein erheblicher Grund im Sinne von §227 Abs. 1 ZPO gegeben; das Gericht darf bei dieser Sachlage jedenfalls keine Endentscheidung verkünden, sondern es muss den Termin verlegen und den Parteien zumindest Gelegenheit geben, gemäß § 251 ZPO das Ruhen des Verfahrens zu beantragen.

 Aus den Gründen (Hervorhebungen von uns):

Zunächst entspricht dies der Dispositionsmaxime als tragendem Verfahrensgrundsatz des deutschen Zivilprozessrechts. Danach steht das Ver-fügungsrecht über den Prozess im Ganzen den Parteien zu. Sie bestimmen über den Beginn des Verfahrens, seinen Umfang und seine Beendigung 

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber der Beendigung des Streitverfahrens durch einen Vergleich besondere Bedeutung beigemessen. Gemäß §278 Abs.1 ZPO soll das Gericht in jeder Lage des Verfahrens - also auch noch kurz vor der Verkündung eines bereits abgefassten Urteils - auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein. Dieses Ziel darf nicht allein unter dem Gesichtspunkt einer Entlastung des Ge-richts gesehen werden. Gesetzgeberisches Motiv war vielmehr auch die Erkenntnis, dass eine gütliche Einigung zwischen den Parteien dem Rechtsfrieden nachhaltiger dienen kann als eine streitige Entscheidung.

Daraus folgt, dass das Gericht in einer solchen Verfahrenslage jedenfalls keine Endentscheidung verkünden darf, sondern dass es den Termin verlegen und den Parteien zumindest Gelegenheit geben muss, gemäß §251 ZPO das Ruhen des Verfahrens zu beantragen. Anerkannt worden ist eine Pflicht des Gerichts zur Verlegung von Terminen zwar bislang vor allem zwecks Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Aber auch der Dispositionsbefugnis der Parteien und dem Vorrang der gütlichen Streitbeilegung muss das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung gerecht werden, und es darf eine endgültige Entscheidung nicht gegen den erklärten Willen einigungswilliger Parteien treffen.

Das bedeutet nicht, dass es den Verkündungstermin weiträumig verlegen muss. Den Parteien muss lediglich Zeit eingeräumt werden, damit sie das Ruhen des Verfahrens gemäß §251 ZPO beantragen können; weil eine dahingehende Anordnung wegen der schwebenden Vergleichsverhandlungen auch bei Entscheidungsreife zweckmäßig im Sinne dieser Norm wäre, müsste das Gericht einem solchen einvernehmlichen Antrag entsprechen.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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