Bundesgerichtshof Urteil vom 9.1.2020, Az. IX ZR 61/69.

Berät ein Rechtsanwalt eine Mandantin im Zusammenhang mit einer Scheidungsfolgenvereinbarung, hat er sie auf die Notwendigkeit der Einschaltung eines Steuerberaters hinzuweisen, sofern sich bei sachgerechter Bearbeitung wegen der Übertragung von Grundeigentum eine steuerliche Belastung aufdrängen kann und er zu einer steuerrechtlichen Beratung nicht bereit oder imstande ist.

Grundsätzlich umfasst das einem Allgemeinanwalt erteilte Mandat nicht die Beratung und Belehrung in Steuersachen, weil Mandanten zwischen einer anwaltlichen Beratung in Steuersachen und auf anderen Rechtsgebieten unterscheiden. Deswegen können von einem Allgemeinanwalt keine Spezialkenntnisse auf dem Gebiet des Steuerrechts verlangt werden. Allerdings muss der Rechtsanwalt bei ordnungsgemäßer Bearbeitung eines familienrechtlichen Mandats typischerweise auftretende steuerlich bedeutsame Fragestellungen erkennen und, wenn er die Beratung nicht selbst übernimmt,den Mandanten insoweit zur Klärung an einen Steuerberater verweisen.

Anmerkung

Im entschiedenen Fall nahm der BGH aufgrund der familienrechtlichen Literatur an, dass der Rechtsanwalt die steuerlich bedeutsame Fragestellung erkennen musste:

Im familienrechtlichen Schrifttum (sic!) war geraume Zeit vor der hier erfolgten Eigentumsübertragung darauf hingewiesen worden, dass die Leistung von Grundbesitz an Erfüllungs statt für Zugewinnausgleichsansprüche eine entgeltliche Veräußerung im Sinne des § 22 Nr. 2, § 23 EStG bilden kann. Zusätzlich war in der einschlägigen Kommentarliteratur zum Zeitpunkt der Beratung ausdrücklich betont worden, dass die Übertragung eines Grundstücks an den Ehegatten unter Anrechnung auf den Zugewinnausgleich ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft bilden kann.

Das heißt, auch wenn es sich scheinbar um eine Binsenweisheit handelt: Der Allgemeinanwalt sollte unbedingt zu seinem Mandat vorsorglich insgesamt die Literatur zu seinem Mandat einsehen; hier die Literatur zu einer Vereinbarung über die Scheidungsfolgen. Er sollte sich auf keinen Fall darauf verlassen, dass er sich doch auskennt. Der hier vom BGH beurteilte Fall veranschaulicht, dass auch der geübte Anwalt überrascht werden kann. Hier mit einem steuerlichen Aspekt zu einer Scheidungsvereinbarung.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
zertifizierte Datenschutzauditorin (DSA-TÜV)
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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