Kanzleiorganisation: Die Berufungsbegründungsschrift muss als bestimmender Schriftsatz im Anwaltsprozess grundsätzlich von einem beim Berufungsgericht postulati-onsfähigen Rechtsanwalt eigenhändig unterschrieben sein (§ 130 Nr. 6, § 520 Abs. 5 ZPO). Welchen Anforderungen muss die Unterschrift genügen?

Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 22.10.2019; bekannt gegeben heute, am 21. Januar 2020. Die Unterschrift soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen. Zugleich soll sichergestellt werden, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (Senatsbeschlüsse vom 29. No-vember 2016 - VI ZB 16/16, vom 3. März 2015 - VI ZB 71/14, BGH, Beschlüsse vom 26. April 2012 - VII ZB 36/10, und vom 26. Oktober 2011 - IV ZB 9/11, jeweils mwN). Beides ist gewährleistet, wenn feststeht, dass die Unterschrift von dem Anwalt stammt (Senatsbeschluss vom 29. November 2016 - VI ZB 16/16,  BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 2013 - VIII ZB 62/12 - und vom 27. September 2005 - VIII ZB 105/04).

Dies bedeutet in dem vom BGH zu entscheidenden Fall:

Die Berufungsbegründung ist handschriftlich mit einem Schriftzug unterzeichnet, der individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 29. November 2016 - VI ZB 16/16 und vom 3. März 2015 - VI ZB 71/14 mwN; BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - V ZB 203/14 - und vom 16. Juli 2013 - VIII ZB 62/12, jeweils mwN). Er ist zwar nicht lesbar. Für die Frage, ob eine formgültige Unterschrift vorliegt, ist aber nicht die Lesbarkeit oder die Ähnlichkeit des handschriftlichen Gebildes mit den Namensbuchstaben entscheidend, sondern es kommt darauf an, ob der Name vollständig, wenn auch nicht unbedingt lesbar, wiedergegeben wird (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 29. November 2016 - VI ZB 16/16; vom 3. März 2015 - VI ZB 71/14; BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 - VIII ZB 67/09 -; jeweils mwN).  Schon die Komplexität des Schriftzuges spricht für die Absicht einer vollen Unterschrift. Im Übrigen steht hier die Beifügung des Zusatzes „i.V." der Annahme einer - in dieser Kombination völlig unüblichen, bewussten und gewollten Namensabkürzung entgegen.

Durch die Hinzufügung des Zusatzes „i.V." gibt der Unterzeichnende regelmäßig zu erkennen, dass er als Unterbevollmächtigter des Pro-zessvertreters der Partei die Verantwortung für den Inhalt der Berufungsbegründung übernimmt. Das setzt voraus, dass es sich beim Unterzeichnenden um einen postulationsfähigen Rechtsanwalt handelt. Nur in diesem Sinne ist die mit dem Zusatz „i.V." versehene Unterschrift zu verstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2012 - VII ZB 83/10; Urteil vom 11. November 2005 - XI ZR 398/04). 

Der Schriftzug unter der Berufungsbegründung war auch geeignet, die Identifizierung von Rechtsanwalt H., an dessen Zulassung und Bevollmäch-tigung durch die Klägerin auch das Berufungsgericht keine Zweifel geäußert hat, als Urheber der schriftlichen Prozesshandlung zu ermöglichen.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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Hochschullehrbeauftragte für IT-Recht sowie IT-Compliance (in den Studiengängen Informatik, Wirtschaftsinformatik und BWL)

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