Beschluss vom 11.12.2019, Az. 1 BvR 3087/14.

Das gehört jetzt zur Bildung in Deutschland: Die Zusatzrente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder VBL (Altersversorgung für den öffentlichen Dienst) war wie für ledige Versicherte berechnet worden. Zwar waren die Fachgerichte davon ausgegangen, dass verpartnerte Versicherte bei der Berechnung der Zusatzrente so zu behandeln sind wie Verheiratete. Doch - das ist die Neuerung - durfte dies nicht von einem Antrag abhängig gemacht werden, da verpartnerte Versicherte damals nicht erkennen konnten, dass sie diesen Antrag hätten stellen müssen. Weder bezog sich die Antragsregel auf sie noch hielt die damals herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Fachliteratur eine Gleichstellung für geboten. Die formal gleiche Anforderung, einen Antrag auf eine günstigere Berechnung der Zusatzrente zu stellen, führt in diesem Fall - so das Bundesverfassungsgericht - zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung. Sie ist rückwirkend zu beseitigen.

Sachverhalt, wie ihn das Bundesverfassungsgericht wiedergegeben hat:

Der Beschwerdeführer bezieht seit 1998 eine solche VBL-Zusatzrente, der die für Unverheiratete geltende Steuerklasse I/0 zugrunde gelegt worden war. Er begründete im Jahr 2001 eine eingetragene Lebenspartnerschaft, worüber er die VBL im Oktober 2006 unterrichtete, und beantragte 2011 eine Neuberechnung seiner Rente ab dem Zeitpunkt der Verpartnerung wie für Eheleute. Die VBL leistete daraufhin eine Nachzahlung nur für den Zeitraum ab der Mitteilung über die Verpartnerung, da für die Zeit zuvor ein Antrag fehle. Die Klage auf eine höhere Zusatzrente für die Zeit davor blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Begründung der zuständigen Kammer des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere für den strengen Maßstab:

Die angegriffenen Urteile verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG, soweit sie für die Zeit vor November 2006 einen Anspruch auf Neuberechnung der Rente unter Verweis auf den fehlenden Antrag verneinen.

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet die allgemeine Gleichbehandlung. Dabei verschärfen sich die Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung umso mehr, je weniger die Merkmale, an die sie anknüpft, für die Betroffenen verfügbar sind und je mehr sich diese Merkmale den in dem besonderen Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 3 GG ausdrücklich benannten Merkmalen annähern. Das ist bei der Ungleichbehandlung von Menschen in einer Ehe und in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft der Fall, denn sie knüpft an das personenbezogene Merkmal der sexuellen Orientierung an. Daher gilt für die Prüfung, ob eine Ungleichbehandlung zwischen verheirateten und verpartnerten Personen zu rechtfertigen ist, ein strenger Maßstab.

Anmerkung

Rechtsmethodisch muss man sich merken: Wenn Gesetzgeber und Rechtsinhaber etwas in Unkenntnis der (künftigen) Rechtsentwicklung unterlassen, dann darf es rückwirkend nachgeholt werden, meint der BGH.

Andrea Schweizer

Andrea Schweizer

Rechtsanwältin
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